Windpocken                                         Ó  kinderpraxis-juelich  (Apr-09)

    Unser Kinder- und Jugendarzt Dr. Rudolf Weitz informiert Sie über das Thema Windpocken (-Impfung):

 

Die Windpocken (auch unter "Wasserpocken" bekannt) sind eigentlich die letzte Kinderkrankheit, gegen die wir nicht routinemäßig impfen.
Der Grund dafür ist der unkomplizierte Krankheitverlauf:

 
Nach einer Inkubationszeit von 10-20 Tagen treten unvermittelt über den ganzen Körper verstreut die typischen roten Fleckchen mit zentralem Wasserbläschen auf. Betroffen ist immer auch der behaarte Kopf; oft auch die Schleimhaut von Mund (Halsweh) und Scheideneingang (Brennen beim Wasserlassen).
Während der nächsten 2-3 Tage können immer noch neue Pöckchen auftreten, danach trocknen sie ein und verkrusten. Bei ausgeprägtem Juckreiz kann man 1-2mal täglich eine Lotion (z.B. Anaesthesulf®) auftragen. Das Kind darf normal gebadet werden und an die frische Luft.


Die Krankheit ist sehr ansteckend und wird durch den Wind übertragen. Auch ein flüchtiger Kontakt kann schon für die Ansteckung genügen. Schon am Tag vor dem Ausbruch der Krankheit ist das Kind bereits ansteckend. Nach 10 Tagen kann es in der Regel wieder zum Kindergarten bzw. Schule zugelassen werden.

Die Ursache ist das Varizella-Zoster-Virus. Es verbleibt auch nach Abklingen der Windpockenerkrankung im Körper und kann, ausgelöst durch unterschiedliche Faktoren, jederzeit später in Form einer Gürtelrose ( = "Herpes Zoster" ) wieder ausbrechen.
 

Die Empfehlung zur generellen Schutzimpfung ist umstritten!
 

Zur Lage:

Seit August 2004 empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO), alle Babys vom 11. bis 14. Lebensmonat gegen Windpocken zu impfen und darüber hinaus die Nachimpfung von allen Kindern und Jugendlichen (9 bis 17 Jahre) durchzuführen, die noch keine Windpocken hatten.

Als Begründung wird angegeben, daß  jede 6. Erkrankung schwer verlaufe und es jede Woche zu 744 Komplikationen in Deutschland komme. Auch wird auf eine jährliche Todesfallrate von mehr als 20 Kindern hochgerechnet! 

Dies vermittelt ein völlig unrealistisch dramatisches Bild der Windpockensituation in Deutschland!

Die Impfempfehlung stößt deshalb bei uns und vielen anderen Kinderärzten auf Unverständnis, weil wir im Praxisalltag ganz andere Erfahrungen mit Windpocken machen und gemacht haben. Es stellt sich also die Frage, wie und unter welchen Umständen die Aussage über diese extrem hohe Komplikationsrate zustande kam?

Studienergebnisse vom Hersteller geschönt?

Basis für die Impfempfehlung ist eine Studie, die 1999 vom Impfstoffhersteller GlaxoSmithKline (bis August 2004 einziger Anbieter eines Windpockenimpfstoffs in Deutschland) in Auftrag gegeben und bezahlt wurde: In einem Telefoninterview wurden fast 1.400 Ärzte in ihrer Praxis kontaktiert. 91% lehnten die Teilnahme an der Befragung von vornherein ab. Die Aussagen der restlichen 9% wurden als repräsentativ für alle deutschen Ärzte und darüber hinaus für alle Windpockenfälle in Deutschland betrachtet. Jeder teilnehmende Arzt sollte während des Telefonats aus seiner Patientenkartei 5 Windpockenfälle heraussuchen, bei denen der Anfangsbuchstabe des Nachnamens durch einen Zufallsgenerator vorgegeben war.

Die Randomisierung des Anfangsbuchstabens sollte wohl eine unbewußte Einflußnahme des Arztes auf die Auswahl des Windpockenfalles ausschließen. Es ist aber eher wahrscheinlich, daß der Arzt sich auf die Schnelle gerade an die schweren Fälle in der Praxis erinnert, zumal ja von einer besonders hohen Motivation bei den mitmachenden 9% der angerufenen Ärzte auszugehen ist. Weiterhin wurde nicht berücksichtigt, dass lange nicht jeder Windpockenfall in einer Arztpraxis behandelt wird. Allein schon deshalb kann von diesem Telefoninterview nicht auf die gesamte Bevölkerung hochgerechnet werden!

Als diese Studienergebnisse erstmals in einer Fachzeitschrift im Herbst 2002 vorgestellt wurden, übten Ärzte in mehreren Leserbriefen heftige Kritik: „Die mögliche Voreingenommenheit der Autoren wird besonders deutlich bei der im Fazit betonten Komplikationsrate von 16 Prozent, die kaum ein Pädiater nachvollziehen wird."

„Wenn wir an der Basis keine ernsten Komplikationen über Jahrzehnte hinweg gesehen haben, wo sind sie dann?"

Ihrem Auftrag entsprechend sollte die STIKO streng neutral, rein sachlich orientiert und völlig unabhängig von den finanziellen Interessen der Impfstoffhersteller agieren. Dennoch kann die oben beschriebene Studie aufgrund der zur Verfügung stehenden Informationen nur als Tendenzstudie zugunsten der Industrie bewertet werden.

Zusammenfassend scheint eine Neubewertung der Impfempfehlung durch unabhängige Studien und Gutachter dringend erforderlich!

Mögliche Folgen einer generellen Impfung:

Bei einer Durchimpfung aller Kinder fällt die ständige Boosterung durch Wildviruskontakt für ältere Menschen weg. Damit würde möglicherweise das Gürtelrose-Risiko zunehmen. Beispielsweise wurde in einer englischen Studie berichtet, dass die Häufigkeit der Gürtelrose bei Menschen abnahm, je mehr Kinder und Enkelkinder sie hatten.

Das Gürtelrose-Risiko nach einer Impfung ist fast 6-fach erhöht, wenn nach der Impfung ein windpockenähnlicher Hautausschlag auftritt. Diesen Ausschlag gibt es laut Herstellerangaben bei 1-10% der Geimpften. Nach einer Windpocken-Impfung sollte der Geimpfte für 6 Wochen(!) keinen Kontakt mit Schwangeren ohne Windpocken-Anamnese und den Neugeborenen von Müttern ohne Windpocken-Anamnese wegen der möglichen Übertragung des Impfvirus haben. Wie dies in der Praxis umzusetzen sein soll, ist wirklich schwer nachvollziehbar.

Der Windpocken-Impfstoff

Der Impfstoff gegen Windpocken ist schon seit Ende der 80er Jahre in Deutschland verfügbar. Seine Anwendung war bisher begrenzt auf krebskranke Kinder vor einer geplanten Chemotherapie.  

In den USA wurde die Windpocken-Impfung 1996 als Routineimpfung bei Kleinkindern eingeführt. Begründet wurde diese Maßnahme fast ausschließlich mit ökonomischen Kosten-Nutzen-Analysen (Abwägung des Arbeitsausfalls der Eltern gegenüber den Impfkosten). Die Häufigkeit von Windpocken ist dort seither in allen Altersgruppen um 71 bis 84 Prozent zurückgegangen.

An der Sicherheit und Wirksamkeit des Impfstoffes kann nach der millionenfachen Anwendung in den USA kein Zweifel mehr bestehen. Mit dem Lebendimpfstoff vom Stamm Okal/ Merck lassen sich Sero-Konversionsraten von 97 Prozent und mehr erzielen. Für eine abschließende Beurteilung der Langzeit-Auswirkungen ist es aber noch viel zu früh.

Kinder werden nur einmal, und Jugendliche und Erwachsene zweimal im Abstand von vier bis acht Wochen geimpft. Im Rahmen klinischer Studien wurden als Nebenwirkung windpockenähnliche Hautausschläge, leicht erhöhte Körpertemperaturen oder Reaktionen wie Rötungen an der Injektionsstelle am häufigsten registriert. Allerdings verlaufen diese Begleiterscheinungen fast immer mild und klingen rasch wieder ab.

zu einem kritischen Artikel aus dem Deutschen Ärzteblatt vom 5. November 2004

zu einem warnenden Artikel aus Pädiatrie Hautnah 1/2005

In unserer Praxis empfehlen wir, Schulkinder und Jugendliche ohne durchgemachte Windpocken-Erkrankung einmalig zu impfen.

Eine Impfung kann nur 70–90% der Erkrankungen verhindern. Bei 3–5% der Geimpften kann es 1–2 Wochen nach der Injektion zu so genannten Impfvarizellen mit einigen wenigen Bläschen kommen. In diesem Zusammenhang stellt sich oft die Frage nach der Ansteckungsgefahr durch diese Impfvarizellen. Rein theoretisch ist eine Übertragung des Impfvirus auf andere Personen denkbar. Weltweit wurden aber bei 40 Millionen Impfdosen nur fünf Übertragungen bekannt. In allen fünf Fällen handelte es sich um immunsupprimierte Personen mit leichtem Krankheitsverlauf (Stand: 2005).

Für weiteren Fragen steht Ihnen natürlich auch unser PraxisTeam gerne zur Verfügung ...

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zuletzt aktualisiert am 17.04.2009 (RW)