Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Basisinformationen
Leitlinien für Diagnostik, Therapie und Prävention
2.1 Somatische und laborchemische Diagnostik
2.1.1 Vorbemerkung
2.1.2 Sinnvolle Diagnostik
2.1.3 Literatur
2.2 Psychologische und psychosoziale Diagnostik
2.2.1 Vorbemerkung
2.2.2 Überprüfen von Kontraindikationen
2.2.3 Diagnostik zu Einleitung und Steuerung des Therapieprozesses
2.2.4 Diagnostik zur Evaluation
2.2.4.1 Ernährungs- und gewichtsbezogene Einstellungen und Verhaltensweisen
2.2.4.2 Selbstwert
2.2.4.3 Lebensqualität
2.2.5 Zusammenfassung
2.2.6 Literatur
3.3.1 Vorbemerkung
3.3.2 Charakteristika eines sinnvollen therapeutischen Vorgehens
3.3.3 Aufbau eines Therapieprogramms
3.3.4 Mögliche Nebenwirkungen einer Therapie
3.3.5 Andere Therapieformen
3.3.6 Zusammenfassung
3.3.7 Literatur
3.4.2 Ernährungsphysiologische Inhalte der Ernährungsempfehlungen
3.4.3 Höhe der Energiezufuhr
3.4.4 Beratung und Betreuung
3.4.5 Literatur
3.5.1 Vorbemerkung
3.5.2 Schulungsziele
3.5.3 Indikation/Kontraindikation
3.5.4 Setting
3.5.5 Inhalte und Module
3.5.5.1 Medizinische Inhalte
3.5.5.2 Module Ernährung
3.5.5.3 Module Sport & Bewegung
3.5.5.4 Psychosoziale Module
3.5.6. Qualitätssicherung
3.6 Qualitätssicherung
3.6.1 Vorbemerkung
3.6.2 Strukturqualität
3.6.3 Prozessqualität
3.6.4 Ergebnisqualität
4.1 Vorbemerkung
4.2 Definition
4.3 Diagnostik
4.4 Therapie
4.5 Andere Therapieformen
4.6 Literatur
Vorwort
Die Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter (AGA) hat im September 1999 in Düsseldorf dem Vorstand und einer einzurichtenden Arbeitsgruppe die Aufgabe übertragen, die Leitlinien der AGA fertigzustellen.
Sie hat mich in diesem Zusammenhang als ‚Leitlinien-Beauftragter‘ gewählt. Die Leitlinien sollten gemäß den Vorgaben für Leitlinen der AWMF verfasst werden. Für die Verabschiedung der Leitlinien wurde das Prinzip der ‚Konsensuskonferenz‘ gewählt. Die Koordinatoren sollten sich bei der Erarbeitung an den Leitlinien der Deutschen Adipositasgesellschaft orientieren. Die Leitlinien sollten kurz, klar, verständlich und dennoch umfassend sein. Dabei sollten ‚Entscheidungsbäume‘ und ‚Flussdiagramme‘ aufgestellt werden, die für die ärztliche Praxis hilfreich sind.
Der Vorstand hat daraufhin die Bearbeitung in Arbeitsgruppen mit Schwerpunkten eingerichtet und folgenden Zeitplan aufgestellt:
- Skizze der Beiträge der Koordinatoren bis 1.12. 1999
- Rohentwürfe der Koordinatoren bis 1.3.2000
- Rückmeldung von Vorstand und Leitlinienbeauftragtem bis 1.4.2000
- Überarbeitete Fassungen des Rohentwurfs bis zum 1.5.2000
An dieser Tagung und an der Erstellung der Beschlussvorlage nahmen teil:
U. Korsten-Reck, K. Kromeyer-Hauschild, D. Kunze, H. Mayer, J. Oepen, W. Siegfried, M. Wabitsch und K. Widhalm.
Versand der Einladungen mit Beschlussvorlage Anfang September zur Konsensus-Konferenz am
25.10.2000 um 14.00 Uhr
im Hörsaal der Haunerschen Kinderklinik in München anlässlich der Jahrestagung der Deutschen Adipositasgesellschaft 2000 in München.
Der Zeitplan für die Erarbeitung der Leitlinie konnte eingehalten werden, nur die Beiträge ‘‘Psychologische und psychosoziale Diagnostik‘‘ und ‘‘Prävention: Leitlinie für ärztliches Handeln‘‘ konnte aus verschiedenen Gründen leider in dieser Auflage der Leitlinien nicht adäquat eingearbeitet werden.
Diese Leitlinien werden kontinuierlich überarbeitet und den Erfordernissen für die Umsetzung in der täglichen Praxis angepasst. Es ist vorgesehen, dass bei den jährlichen Tagungen der AGA Änderungen und Ergänzungen eingebracht werden.
Allen Autoren und Koordinatoren gilt an dieser Stelle mein ganz besonderer Dank. Besonders hervorzuheben ist der unermüdliche Einsatz des Vorstandes der AGA und ihrem Sprecher, Herrn Kollege Martin Wabitsch. Ohne sein zielgerichtetes und konsequentes Handeln wäre die Erstellung dieser Leitlinien nicht möglich gewesen, ihm gebührt deshalb hier meine besondere Anerkennung.
München, den 25. Oktober 2000
Prof. Dr. Detlef Kunze
(Leitlinienbeauftragter der Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter (AGA) der Deutschen Adipositasgesellschaft (DAG) und korporatives Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin (DGKJ))
Vorwort zur überarbeiteten und ergänzten Fassung 10/2001
Die im Oktober 2000 auf der Leitlinien-Konsensus-Konferenz in München verabschiedeten Leitlinien konnten am 29. Mai 2001 in den Fächerkatalog der AWMF an 2. Stelle aufgenommen werden; sie können seither auch über das Internet unter
abgerufen werden.
Die in den Leitlinien enthaltenen BMI-Perzentilwerte wurden in der Zwischenzeit im Heft 8 dieses Jahres der Monatsschrift für Kinderheilkunde publiziert.
Sie stellen aktuelle Referenzwerte für deutsche Kinder und Jugendliche dar. Ob sie jedoch als "morbiditäts-bezogene Normalwerte" benutzt werden können, muss noch einer Evaluierung vorbehalten werden.
Entsprechend der Vorgabe zu den Leitlinien im Vorwort vom 25. Oktober 2000 sind im Jahre 2001 sowohl die bestehenden Kapitel von verschiedenen Arbeitsgruppen überarbeitet, als auch die noch ausstehenden Kapitel erstellt worden. Auch hierzu wurde ein entsprechender Zeitplan in Stufen festgelegt, so dass die Ergebnisse dann vom Vorstand der AGA, den betreffenden Koordinatoren und dem Leitlinienbeauftragten in einer weiteren Klausurtagung am 12. und 13. Juli 2001 in Murnau im Detail erarbeitet und für die Beschlussvorlage der Leitlinien vorbereitet werden konnten.
Mit der Einladung zur diesjährigen Leitlinien-Konferenz der AGA ist diese Beschlussvorlage für alle Mitglieder der AGA zugänglich gemacht worden. Entsprechend den Vorgaben der AWMF für die Erstellung von Leitlinien konnten diese in einer Konferenz anlässlich der diesjährigen Jahrestagung der Deutschen Adipositas Gesellschaft (DAG) heute in Bremen verabschiedet werden.
Die neu erarbeiteten Kapitel enthalten zum Teil auch Angaben und Vorschläge, die noch nicht endgültig ausreichend evaluiert sind. Für das Kapitel "PRÄVENTION" konnte heute nur ein Diskussionsentwurf erstellt werden, der noch im Hinblick auf die weitere Ausgestaltung diskutiert und dann entsprechend verändert werden soll.
Im Oktober 2002 sollen diese Leitlinien erneut aktualisiert auf der Jahrestagung der DAG in Dresden wiederum in einer Konferenz zur Abstimmung gestellt werden.
Bremen, den 19. Oktober 2001
Professor Dr. D. Kunze
(Leitlinienbeauftragter der Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter (AGA) der Deutschen Adipositasgesellschaft (DAG) und korporatives Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin (DGKJ))
Basisinformation:
Adipositas bei Kindern und Jugendlichen ist in unserem Land eine zahlenmäßig bedeutende Gesundheitsstörung, der bis vor kurzem in der Kinderheilkunde und Jugendmedizin keine ausreichende Aufmerksamkeit gewidmet wurde.
Die Prävalenz der Adipositas nimmt weltweit in allen Industrienationen zu, in Deutschland sind je nach Definition 10-20% aller Schulkinder und Jugendlichen übergewichtig. Es ist auch zu beobachten, dass das Ausmaß der Adipositas und damit die Anzahl extrem Adipöser deutlich ansteigt. Die Ursachen hierfür sind multifaktoriell und bestehen u.a. in sich verändernden Lebensbedingungen (übermäßige Zufuhr von kalorien- und fettreicher Nahrung und körperliche Inaktivität), die auf dem Boden einer genetischen Veranlagung wirksam werden und zur Zunahme der Fettmasse des Körpers führen.
Die steigende Prävalenz und das zunehmende Ausmaß der Adipositas bei Kindern und Jugendlichen steht hier einem völlig unzureichenden Angebot an adäquaten Behandlungsmöglichkeiten unseres Gesundheitssystems gegenüber. Diese Tatsache führt auch dazu, dass die betroffenen Familien und Jugendlichen Angebote von kommerzialisierten Programmen zur schnellen Gewichtsreduktion gerne annehmen, ohne dabei die Gefahren und Nebenwirkungen zu erkennen.
Ziele der Adipositas-Therapie sind, die Energiezufuhr zu reduzieren und den Energieverbrauch zu steigern und ein neues Energiegleichgewicht des Körpers zu erreichen. Dies kann langfristig nur durch eine Änderung der Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten bei den Betroffenen und deren Familien erreicht werden. Dabei ist es zunächst eine wichtige ärztliche Aufgabe, zu vermitteln, dass Adipositas eine ernst zu nehmende Gesundheitsstörung ist. Nach heutiger wissenschaftlicher Kenntnis über die genetischen Grundlagen der Regulation des Körpergewichts muss man mit Schuldzuweisungen an die Betroffenen zurückhaltend sein.
Obgleich ein langfristig evaluiertes Programm für Prävention und Therapie heute nicht vorliegt, bedeutet dies nicht, dass man diesem Gesundheitsproblem nicht wirksam begegnen kann. Gerade das Gebiet der Kinderheilkunde trug zu bedeutenden Entwicklungen in der Medizin bei: Vor 50 Jahren gab es z. B. noch keine gezielte Behandlung der meisten Infektionskrankheiten, der kindlichen Krebserkrankungen und anderer chronischer Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Trotzdem hat die Entscheidung zum Handeln und zur Behandlung und die Investition in die notwendige Forschung dazu geführt, dass es heute Impfungen und andere Präventionsmaßnahmen gibt und dass Behandlungen mit Antibiotika und Chemotherapeutika die Morbidität und das Überleben bei zahlreichen Erkrankungen drastisch verbessert bzw. heilbar gemacht haben. Wir können es uns nicht länger leisten, vergleichbare Anstrengungen für die Prävention und die Therapie der Adipositas im Kindes- und Jugendalter zu unterlassen.
Die Adipositas wird heute als chronische Krankheit und nicht nur als biologische Variante angesehen. In den USA werden ca. 280.000 Todesfälle/Jahr auf die Adipositas mit ihren Folgeerkrankungen zurückgeführt; sie ist damit die zweithäufigste Todesursache im Erwachsenenalter nach dem Rauchen ( McGinnis und Foege, 1993).
Der Krankheitswert der Adipositas im Kindes- und Jugendalter ergibt sich zum einen aus der funktionellen und individuellen Einschränkung und der psychosozialen Beeinträchtigung. Zum anderen haben Kinder und Jugendliche mit Adipositas eine höhere Komorbidität als normalgewichtige und haben darüber hinaus ein deutlich erhöhtes Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko im Erwachsenenalter (Must et.al., 1992). Die gesundheitlichen Risiken der Adipositas im Erwachsenenalter sind wissenschaftlich gut belegt, wobei die Manifestation bereits im Kindesalter einen von der Komorbidität unabhängigen und zusätzlich ungünstigen Einfluss hat. Eine erhöhte Morbidität als Folge der Adipositas ist bereits im Kindesalter dokumentierbar (Störungen im Fett- und Glukosestoffwechsel, orthopädische Störungen, erhöhter Blutdruck, u.a.).
Adipöse Kinder und Jugendliche werden nicht zuletzt aufgrund des allgemein propagiertem Schlankheitsideals stigmatisiert. Daraus erleben die adipösen Kinder und Jugendlichen ein erniedrigtes Selbstwertgefühl, was wiederum einen Risikofaktor für die psychosoziale Entwicklung wie auch von Essstörungen bedeutet.
Die Prävention der Adipositas im Kindesalter ist einer der bedeutendsten gesundheitspolitischen Herausforderungen im Rahmen der allgemeinen Gesundheitsförderung geworden. In der täglichen ärztlichen Praxis ist deshalb ein besonderes Augenmerk auf die Dokumentation der Größen- und Gewichtsentwicklung während der Vorsorgeuntersuchungen zu richten. Darüber hinaus sollen besonders Kinder übergewichtiger Eltern zusammen mit deren Familien bzgl. eines gesunden und angemessenen Ernährungs- und Bewegungsverhaltens geschult und beraten werden.
Die Leitlinien für das Handeln bei der Diagnostik, der Therapie und der Prävention der Adipositas im Kindes- und Jugendalter sind von grundlegender Bedeutung, um diesem multifaktoriellen Problem begegnen zu können.
1. Definition und Bestimmung des Ausmaßes der
Adipositas im Kindes- und Jugendalter
1.1 Vorbemerkung
Eine Adipositas liegt vor, wenn der Körperfettanteil an der Gesamtkörpermasse pathologisch erhöht ist. Da der Fettanteil des Körpers nur mit aufwendigen und kostspieligen Methoden exakt zu bestimmen ist, hat sich die Verwendung der einfach messbaren Parameter Körpergröße und Körpergewicht und des daraus abgeleiteten Body Mass Index [BMI = Körpergewicht / Körpergrösse2 (kg/m2)] zur Abschätzung des Körperfettanteils bei Erwachsenen weltweit durchgesetzt.
In zahlreichen Untersuchungen (Micozzi, 1986; Spyckerelle, 1988; Daniels, 1997; Pietrobelli, 1998) konnte gezeigt werden, dass der BMI ein akzeptables Maß für die Gesamt-Körper-Fett-Masse darstellt. Da dies nicht nur für Erwachsene sondern auch für Kinder und Jugendliche zutrifft, wird sowohl von der Childhood Group der International Obesity Task Force (IOTF) als auch von der European Childhood Obesity Group (ECOG) die Anwendung des BMI zur Definition von Übergewicht und Adipositas auch im Kindes- und Jugendalter empfohlen (Himes and Dietz, 1994; Poskitt, 1995; Zwiauer und Wabitsch, 1997; Dietz and Robinson, 1998; Bellizzi and Dietz, 1999). Die AGA empfiehlt deshalb die Anwendung des BMI bei Screeninguntersuchungen und Verlaufsbeobachtungen. Für die Beurteilung des individuellen Risikos sind neben dem BMI noch andere Kriterien (siehe Kapitel Diagnostik) heranzuziehen (Widhalm, 1999).
1.2 Besonderheiten bei der Anwendung des BMI im Kindes- und Jugendalter
Da der BMI im Kindes- und Jugendalter entsprechend den physiologischen Änderungen der prozentualen Körperfettmasse von deutlichen alters- und geschlechtsspezifischen Besonderheiten beeinflusst wird, muss man bei seiner Beurteilung Alter und Geschlecht berücksichtigen.
Anhand populationsspezifischer Referenzwerte für das Kindes- und Jugendalter (in Form von alters- und geschlechtsspezifischen Perzentilen) können individuelle BMI-Werte eingeschätzt werden.
1.3 Referenzwerte für den BMI für deutsche Kinder und Jugendliche
Da in Deutschland keine überregionalen BMI-Referenzwerte für Kinder und Jugendliche existieren, wurden diese unter Heranziehung der Daten von 17 bereits durchgeführten Untersuchungen aus verschiedenen Regionen Deutschlands erstellt (siehe Kromeyer-Hauschild et al.). Die Perzentilberechnung für den BMI erfolgte dabei aus den Körpergrößen- und Körpergewichtsdaten von insgesamt 17.147 Jungen und 17.275 Mädchen im Altersbereich von 0-18 Jahren nach der LMS-Methode von Cole (1990).
Die 3., 10., 25., 50., 75., 90., 97. BMI-Perzentile für Jungen und Mädchen (einschließlich der L- und S-Werte / 50. Perzentil entspricht M-Wert) von 0 bis 18 Jahren sind den Tabellen 1 und 2 zu entnehmen (s. a. Abb. 1 und 2).
Die LMS-Methode ermöglicht auch bei nicht normalverteilten Merkmalen wie dem BMI die Berechnung von Standard Deviation Scores (SDSLMS). SDSLMS-Werte geben an, um ein wie viel Faches einer Standardabweichung ein individueller BMI bei gegebenem Alter und Geschlecht ober- oder unterhalb des BMI-Medianwertes liegt. Es kann somit eine Einordnung eines Individualwertes in die Verteilung der Referenzgruppe erfolgen. So liegt ein Kind, welches mit seinem Messwert um eine Standardabweichungen nach oben (+1) bzw. unten (-1) abweicht, im Bereich des 84. bzw. 16. Perzentils der Referenzgruppe. Weicht der Messwert um zwei Standardabweichungen nach oben (+2) bzw. nach unten (-2) ab, so entspricht dieser Wert dem 97,7. bzw. 2,3. Perzentil der Referenzgruppe.
Die Berechnung des SDSLMS ist sinnvoll, wenn man die BMI-Werte extrem adipöser Kinder und Jugendlicher (alle oberhalb des 97. BMI-Perzentils) vergleichen bzw. BMI-Veränderungen bei diesen Kindern und Jugendlichen beurteilen will. Während die Perzentilwerte bei extrem adipösen Kindern und Jugendlichen keine adäquate Vergleichsmöglichkeit bieten, ist durch die SDSLMS-Werte eine genaue Zuordnung möglich.
Der SDS wird wie folgt berechnet:
SDSLMS =
wobei BMI der Individualwert des Kindes ist. M(t), L(t) und S(t) sind die entsprechenden Parameter für das Alter (t) und das Geschlecht des Kindes.
1.4 Definition von Übergewicht und Adipositas
Während im Erwachsenenalter feste Grenzwerte zur Definition von Übergewicht und Adipositas von der WHO empfohlen werden (WHO/46 press release, 1997), müssen bei Kindern und Jugendlichen die o. g. alters- und geschlechtsspezifischen Veränderungen des BMI berücksichtigt werden. Im Kindes- und Jugendalter sollte die Bestimmung von Übergewicht und Adipositas deshalb anhand geschlechtsspezifischer Altersperzentilen für den BMI erfolgen.
Festlegung von Grenzwerten aufgrund des Adipositasrisikos:
Wegen der geringen Inzidenz von Adipositas-abhängigen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter und mangels ausreichender longitudinaler Untersuchungen zum Gesundheitsrisiko der Adipositas im Kindes- und Jugendalter gibt es im Gegensatz zu der Situation beim Erwachsenen keine festlegbaren Grenzwerte für das gesundheitsgefährdende Ausmaß der Körperfettmasse in diesem Altersbereich. Eine Expertengruppe der IOTF empfiehlt bei der Definition von Übergewicht bzw. Adipositas im Kindes- und Jugendalter das BMI-Perzentil zu verwenden (durch Extrapolierung), welches im Alter von 18 Jahren in einen BMI von 25 kg/m² (Übergewicht) bzw. 30 kg/m² (Adipositas) mündet. Die BMI-Werte 25 und 30 kg/m² sind die entsprechenden risikobezogenen Grenzwerte für Erwachsene. Dadurch wäre ein kontinuierlicher Übergang von der Definition der Adipositas im Kindes- und Jugendalter zur Definition im Erwachsenenalter möglich.
Festlegung von Grenzwerten aufgrund der statistischen Verteilung der BMI-Werte:
Entsprechend der Festlegung von Grenzwerten für biologische Parameter bei Kindern und Jugendlichen kann man anhand der statistischen Verteilung der Referenzwerte auch beim BMI das Überschreiten des 90. Perzentils (ca. 1 SD) und des 97. Perzentils (ca. 2 SD) als auffällig bzw. sehr auffällig bezeichnen.
Entsprechend den Vorgaben der ECOG (Poskitt, 1995) empfiehlt die AGA die Verwendung des 90. bzw. des 97. alters- und geschlechtsspezifischen Perzentils der oben vorgestellten Referenzdaten als Grenzwert zur Definition von Übergewicht bzw. Adipositas. Diese rein statistische Festlegung der Grenzwerte ermöglicht bei Verwendung der neuen Referenzstichprobe für deutsche Kinder und Jugendliche einen nahezu kontinuierlichen Übergang zu den o.g. festen Grenzwerten im Erwachsenenalter.
1.5 Weitere Methoden zur Abschätzung des individuellen Körperfettanteils
Zu den einfacheren Methoden zählen die Messung von Hautfaltendicken (Guo, 1989; Deutenberg, 1990; Reilly, 1995), Bioelektrische Impedanzanalyse (Guo, 1987; Houtkooper, 1989; Deurenberg, 1991; Wabitsch, 1996; Ellis, 1996), Ultraschalluntersuchungen (Fanelli and Kuczmarski, 1984; Lohman, 1984; Weits, 1986; Abe, 1996).
Aufwendigere Methoden sind z. B. DEXA (Mazess, 1990; Haarbo, 1991; Pritchard, 1993; Ogle, 1995; Gutin, 1996; Laskey, 1996), Densitometrie (Johansson 1993; Snead, 1993), Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT) (Tothill, 1996; Thomas, 1998; Kamba, 2000).
In den einzelnen Literaturquellen werden Hinweise zu Vor- und Nachteilen der verschiedenen Methoden gegeben.
1.6 Zusammenfassung
Die AGA empfiehlt im Kindes- und Jugendalter analog zum Erwachsenenalter den Body Mass Index zur Beurteilung von Übergewicht und Adipositas zu verwenden. Dabei werden die hier vorgestellten Perzentile als Referenz für deutsche Kinder empfohlen. Die Feststellung von Übergewicht bzw. Adipositas soll dabei anhand des 90. bzw. des 97. alters- und geschlechtsspezifischen Perzentils dieser Referenzdaten erfolgen.
1.7 Literatur
Das ausführliche Literaturverzeichnis soll dem Interessierten die Möglichkeit geben, sich über die Vor- und Nachteile der einzelnen Methoden zur Bestimmung der Körperzusammensetzung genauer zu informieren.
Abe T, Tanaka F, Kawakami Y, Yoshikawa K, Fukunaga T (1996). Total and segmental subcutaneous adipose tissue volume measured by ultrasound. Med Sci Sports Exerc 28:908-912
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Kromeyer-Hauschild K, Wabitsch M, Geller F, Ziegler A, Geiß HC, Hesse V, v. Hippel, Jaeger U, Johnsen D, Kiess W, Korte W, Kunze D, Menner K, Müller M, Niemann-Pilatus A, Remer Th, Schaefer F, Wittchen HU, Zabransky S, Zellner K, Hebebrand J. Perzentile für den Body Mass Index für das Kindes- und Jugendalter unter Heranziehung verschiedener deutscher Stichproben. Monatschrift Kinderheilkunde 2001 (im Druck)
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Poskitt E (1995). Defining childhood obesity: the relative body mass index (BMI). Acta Pediatr 84:961-963
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Weits T, van der Beek EJ, Wedel M (1986). Comparison of ultrasound and skinfold caliper measurement of subcutaneous fat tissue. Int J Obes 10:161-168
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Zwiauer K, Wabitsch M (1997). Relativer Body-Mass-Index (BMI) zur Beurteilung von Übergewicht und Adipositas im Kindes- und Jugendalter. Monatsschr Kinderheilkd 145:1312-1318
Erarbeitet von: K. Kromeyer-Hauschild (Koordinatorin), J. Hebebrand, U. Jaeger, D. Kunze, M. Wabitsch.
1.8 Tabellen und Abbildungen
Perzentile für den Body Mass Index (in kg/m²) von Jungen im Alter von 0 bis 18 Jahren
Alter (Jahre) |
L |
S |
P3 |
P10 |
P25 |
P50 (M) |
P75 |
P90 |
P97 |
P99.5 |
||
0 |
1,31 |
0,10 |
10,20 |
11,01 |
11,81 |
12,68 |
13,53 |
14,28 |
15,01 |
15,86 |
||
0,5 |
-0,67 |
0,08 |
14,38 |
15,06 |
15,80 |
16,70 |
17,69 |
18,66 |
19,72 |
21,09 |
||
1 |
-1,05 |
0,08 |
14,58 |
15,22 |
15,93 |
16,79 |
17,76 |
18,73 |
19,81 |
21,25 |
||
1,5 |
-1,28 |
0,08 |
14,31 |
14,92 |
15,60 |
16,44 |
17,40 |
18,37 |
19,47 |
20,95 |
||
2 |
-1,45 |
0,08 |
14,00 |
14,58 |
15,25 |
16,08 |
17,03 |
18,01 |
19,14 |
20,69 |
||
2,5 |
-1,58 |
0,08 |
13,73 |
14,31 |
14,97 |
15,80 |
16,76 |
17,76 |
18,92 |
20,51 |
||
3 |
-1,67 |
0,09 |
13,55 |
14,13 |
14,79 |
15,62 |
16,59 |
17,62 |
18,82 |
20,51 |
||
3,5 |
-1,75 |
0,09 |
13,44 |
14,01 |
14,67 |
15,51 |
16,50 |
17,56 |
18,80 |
20,61 |
||
4 |
-1,80 |
0,09 |
13,36 |
13,94 |
14,60 |
15,45 |
16,46 |
17,54 |
18,83 |
20,68 |
||
4,5 |
-1,85 |
0,09 |
13,30 |
13,88 |
14,55 |
15,42 |
16,45 |
17,56 |
18,90 |
20,87 |
||
5 |
-1,88 |
0,09 |
13,24 |
13,83 |
14,51 |
15,40 |
16,46 |
17,61 |
19,02 |
21,17 |
||
5,5 |
-1,90 |
0,10 |
13,20 |
13,80 |
14,50 |
15,40 |
16,50 |
17,71 |
19,19 |
21,52 |
||
6 |
-1,92 |
0,10 |
13,18 |
13,79 |
14,51 |
15,45 |
16,59 |
17,86 |
19,44 |
21,92 |
||
6,5 |
-1,92 |
0,10 |
13,19 |
13,82 |
14,56 |
15,53 |
16,73 |
18,07 |
19,76 |
22,40 |
||
7 |
-1,92 |
0,11 |
13,23 |
13,88 |
14,64 |
15,66 |
16,92 |
18,34 |
20,15 |
23,07 |
||
7,5 |
-1,92 |
0,11 |
13,29 |
13,96 |
14,76 |
15,82 |
17,14 |
18,65 |
20,60 |
23,81 |
||
8 |
-1,91 |
0,11 |
13,37 |
14,07 |
14,90 |
16,01 |
17,40 |
19,01 |
21,11 |
24,62 |
||
8,5 |
-1,89 |
0,12 |
13,46 |
14,18 |
15,05 |
16,21 |
17,68 |
19,38 |
21,64 |
25,48 |
||
9 |
-1,87 |
0,12 |
13,56 |
14,31 |
15,21 |
16,42 |
17,97 |
19,78 |
22,21 |
26,55 |
||
9,5 |
-1,85 |
0,13 |
13,67 |
14,45 |
15,38 |
16,65 |
18,27 |
20,19 |
22,78 |
27,34 |
||
10 |
-1,83 |
0,13 |
13,80 |
14,60 |
15,57 |
16,89 |
18,58 |
20,60 |
23,35 |
28,35 |
||
10,5 |
-1,80 |
0,13 |
13,94 |
14,78 |
15,78 |
17,14 |
18,91 |
21,02 |
23,91 |
29,21 |
||
11 |
-1,77 |
0,14 |
14,11 |
14,97 |
16,00 |
17,41 |
19,24 |
21,43 |
24,45 |
30,11 |
||
11,5 |
-1,75 |
0,14 |
14,30 |
15,18 |
16,24 |
17,70 |
19,58 |
21,84 |
24,96 |
30,63 |
||
12 |
-1,72 |
0,14 |
14,50 |
15,41 |
16,50 |
17,99 |
19,93 |
22,25 |
25,44 |
31,38 |
||
12,5 |
-1,69 |
0,14 |
14,73 |
15,66 |
16,77 |
18,30 |
20,27 |
22,64 |
25,88 |
31,72 |
||
13 |
-1,66 |
0,14 |
14,97 |
15,92 |
17,06 |
18,62 |
20,62 |
23,01 |
26,28 |
32,08 |
||
13,5 |
-1,63 |
0,14 |
15,23 |
16,19 |
17,35 |
18,94 |
20,97 |
23,38 |
26,64 |
32,45 |
||
14 |
-1,61 |
0,14 |
15,50 |
16,48 |
17,65 |
19,26 |
21,30 |
23,72 |
26,97 |
32,61 |
||
14,5 |
-1,58 |
0,14 |
15,77 |
16,76 |
17,96 |
19,58 |
21,63 |
24,05 |
27,26 |
32,79 |
||
15 |
-1,55 |
0,14 |
16,04 |
17,05 |
18,25 |
19,89 |
21,95 |
24,36 |
27,53 |
32,96 |
||
15,5 |
-1,52 |
0,13 |
16,31 |
17,33 |
18,55 |
20,19 |
22,26 |
24,65 |
27,77 |
32,94 |
||
16 |
-1,49 |
0,13 |
16,57 |
17,60 |
18,83 |
20,48 |
22,55 |
24,92 |
27,99 |
33,11 |
||
16,5 |
-1,47 |
0,13 |
16,83 |
17,87 |
19,11 |
20,77 |
22,83 |
25,18 |
28,20 |
33,09 |
||
17 |
-1,44 |
0,13 |
17,08 |
18,13 |
19,38 |
21,04 |
23,10 |
25,44 |
28,40 |
33,24 |
||
17,5 |
-1,41 |
0,13 |
17,32 |
18,39 |
19,64 |
21,31 |
23,36 |
25,68 |
28,60 |
33,21 |
||
18 |
-1,39 |
0,13 |
17,56 |
18,63 |
19,89 |
21,57 |
23,61 |
25,91 |
28,78 |
33,19 |
Perzentile für den Body Mass Index (in kg/m²) von Mädchen im Alter von 0 bis 18 Jahren
Alter (Jahre) |
L |
S |
P3 |
P10 |
P25 |
P50 (M) |
P75 |
P90 |
P97 |
P99.5 |
||
0 |
1,34 |
0,10 |
10,21 |
10,99 |
11,75 |
12,58 |
13,40 |
14,12 |
14,81 |
15,61 |
||
0,5 |
-0,03 |
0,08 |
13,86 |
14,55 |
15,29 |
16,16 |
17,08 |
17,95 |
18,85 |
19,98 |
||
1 |
-0,44 |
0,08 |
14,14 |
14,81 |
15,53 |
16,40 |
17,34 |
18,25 |
19,22 |
20,41 |
||
1,5 |
-0,71 |
0,08 |
13,94 |
14,59 |
15,32 |
16,19 |
17,16 |
18,11 |
19,15 |
20,48 |
||
2 |
-0,92 |
0,09 |
13,68 |
14,33 |
15,05 |
15,93 |
16,93 |
17,92 |
19,03 |
20,48 |
||
2,5 |
-1,07 |
0,09 |
13,46 |
14,10 |
14,82 |
15,71 |
16,73 |
17,76 |
18,92 |
20,51 |
||
3 |
-1,19 |
0,09 |
13,29 |
13,93 |
14,64 |
15,54 |
16,57 |
17,64 |
18,84 |
20,46 |
||
3,5 |
-1,30 |
0,09 |
13,16 |
13,79 |
14,51 |
15,42 |
16,46 |
17,56 |
18,81 |
20,54 |
||
4 |
-1,38 |
0,10 |
13,06 |
13,69 |
14,42 |
15,33 |
16,40 |
17,54 |
18,85 |
20,75 |
||
4,5 |
-1,46 |
0,10 |
13,00 |
13,64 |
14,37 |
15,31 |
16,41 |
17,58 |
18,97 |
20,97 |
||
5 |
-1,52 |
0,10 |
12,97 |
13,61 |
14,36 |
15,32 |
16,46 |
17,69 |
19,16 |
21,34 |
||
5,5 |
-1,58 |
0,10 |
12,94 |
13,60 |
14,36 |
15,35 |
16,53 |
17,83 |
19,40 |
21,74 |
||
6 |
-1,62 |
0,11 |
12,92 |
13,59 |
14,37 |
15,39 |
16,63 |
17,99 |
19,67 |
22,28 |
||
6,5 |
-1,65 |
0,11 |
12,93 |
13,62 |
14,42 |
15,48 |
16,77 |
18,21 |
20,01 |
22,78 |
||
7 |
-1,66 |
0,12 |
12,98 |
13,69 |
14,52 |
15,62 |
16,98 |
18,51 |
20,44 |
23,48 |
||
7,5 |
-1,65 |
0,12 |
13,06 |
13,80 |
14,66 |
15,81 |
17,24 |
18,86 |
20,93 |
24,25 |
||
8 |
-1,64 |
0,12 |
13,16 |
13,92 |
14,82 |
16,03 |
17,53 |
19,25 |
21,47 |
25,19 |
||
8,5 |
-1,61 |
0,13 |
13,27 |
14,06 |
15,00 |
16,25 |
17,83 |
19,65 |
22,01 |
26,02 |
||
9 |
-1,58 |
0,13 |
13,38 |
14,19 |
15,17 |
16,48 |
18,13 |
20,04 |
22,54 |
26,69 |
||
9,5 |
-1,54 |
0,13 |
13,48 |
14,33 |
15,34 |
16,70 |
18,42 |
20,42 |
23,04 |
27,50 |
||
10 |
-1,51 |
0,14 |
13,61 |
14,48 |
15,53 |
16,94 |
18,72 |
20,80 |
23,54 |
28,17 |
||
10,5 |
-1,47 |
0,14 |
13,76 |
14,66 |
15,74 |
17,20 |
19,05 |
21,20 |
24,03 |
28,73 |
||
11 |
-1,43 |
0,14 |
13,95 |
14,88 |
15,99 |
17,50 |
19,40 |
21,61 |
24,51 |
29,36 |
||
11,5 |
-1,39 |
0,14 |
14,18 |
15,14 |
16,28 |
17,83 |
19,78 |
22,04 |
25,00 |
29,88 |
||
12 |
-1,36 |
0,14 |
14,45 |
15,43 |
16,60 |
18,19 |
20,18 |
22,48 |
25,47 |
30,47 |
||
12,5 |
-1,33 |
0,14 |
14,74 |
15,75 |
16,95 |
18,56 |
20,58 |
22,91 |
25,92 |
30,77 |
||
13 |
-1,30 |
0,14 |
15,04 |
16,07 |
17,30 |
18,94 |
20,98 |
23,33 |
26,33 |
31,26 |
||
13,5 |
-1,27 |
0,14 |
15,35 |
16,40 |
17,64 |
19,30 |
21,36 |
23,71 |
26,70 |
31,43 |
||
14 |
-1,25 |
0,14 |
15,65 |
16,71 |
17,97 |
19,64 |
21,71 |
24,05 |
27,01 |
31,72 |
||
14,5 |
-1,23 |
0,14 |
15,92 |
17,00 |
18,27 |
19,95 |
22,02 |
24,35 |
27,26 |
31,81 |
||
15 |
-1,20 |
0,14 |
16,18 |
17,26 |
18,53 |
20,22 |
22,28 |
24,59 |
27,45 |
31,86 |
||
15,5 |
-1,18 |
0,13 |
16,40 |
17,49 |
18,76 |
20,45 |
22,50 |
24,77 |
27,57 |
31,85 |
||
16 |
-1,16 |
0,13 |
16,60 |
17,69 |
18,96 |
20,64 |
22,67 |
24,91 |
27,65 |
31,79 |
||
16,5 |
-1,13 |
0,13 |
16,78 |
17,87 |
19,14 |
20,81 |
22,82 |
25,02 |
27,69 |
31,71 |
||
17 |
-1,11 |
0,13 |
16,95 |
18,04 |
19,31 |
20,96 |
22,95 |
25,11 |
27,72 |
31,61 |
||
17,5 |
-1,09 |
0,13 |
17,11 |
18,20 |
19,47 |
21,11 |
23,07 |
25,20 |
27,74 |
31,51 |
||
18 |
-1,07 |
0,12 |
17,27 |
18,36 |
19,62 |
21,25 |
23,19 |
25,28 |
27,76 |
31,42 |
2 Diagnostik bei Kindern und Jugendlichen mit Adipositas
Die Diagnostik bei Adipositas im Kindes- und Jugendalter gliedert sich in eine klinische und labor-chemische Diagnostik (siehe 2.1) und eine psychologische, psychosoziale und Verhaltensdiagnostik (siehe 2.2).
Die klinische und labor-chemische Diagnostik ist in jedem Falle erforderlich.
Bei der initialen Diagnostik bei einem Kind oder Jugendlichen mit Adipositas müssen darüber hinaus Hinweise für das Vorliegen einer schwerwiegenden psychiatrischen Grunderkrankung, wie z.B. einer Depression oder einer Bulimie erkannt werden, da sich hieraus therapeutische Konsequenzen ergeben und eine Adipositas-Therapie kontraindiziert sein kann. Liegen entsprechende Hinweise vor, muss der Patient an einen Kinder- und Jugendpsychiater oder Psychologen verwiesen werden.
Die psychologische, psychosoziale und Verhaltensdiagnostik kann gezielt im Rahmen der therapeutischen Maßnahmen angeschlossen werden.
2.1 Diagnostik bei Adipositas im Kindes- und Jugendalter
- Somatische und laborchemische Diagnostik -
2.1.1 Vorbemerkung
Durch eine sinnvolle somatische und laborchemische Diagnostik bei Kindern und Jugendlichen mit Adipositas sollten eine ursächliche Grunderkrankung sowie die medizinischen Folgen der Adipositas erkannt werden. In der Regel ist dazu neben einer gründlichen Anamnese und körperlichen Befunderhebung keine aufwendige Labor- oder Apparate-Diagnostik nötig.
Adipositas ist nur in seltenen Fällen Symptom einer Grunderkrankung (Poskitt, 1995; Wabitsch, 1999). Der somatische Krankheitswert der Adipositas im Kindes- und Jugendalter ergibt sich zum einen aus der funktionellen Einschränkung und zum anderen aus den somatischen Folgeerkrankungen, die sich bereits im Kindesalter manifestieren können. Somatische Folgen sind z.B. Störungen des Stütz- und Halteapparats, Hypertonie, Fettstoffwechselstörungen, Typ II - Diabetes mellitus, Hyperandrogenämie bei Mädchen, Hyperurikämie, Cholezystolithiasis, metabolisches Syndrom. Diese sind durch eine Gewichtsreduktion teilweise reversibel.
Dieser Teil der Leitlinien basiert auch auf der unter 2.1.3 zitierten Literatur.
Häufige klinische Begleitbefunde bei Adipositas im Kindes- und Jugendalter, die in der Regel keiner weiteren Diagnostik bedürfen:
Beschleunigung des Längenwachstums und der Skelettreife, Striae distensae (Mädchen und Jungen), Pseudogynäkomastie (Jungen), Pseudohypogenitalismus (Jungen).
2.1.2 Sinnvolle Diagnostik
Untersuchungsplan: Dieser ist aus Flussdiagramm 1 zu entnehmen.
Zielsetzung der Diagnostik:
1. Bestimmung des Ausmaßes der Adipositas
2. Ausschluss einer ursächlichen Primärerkrankung.
3. Erkennen des Gesundheitsrisikos und der Komorbidität wie z.B. endokrinologische,
metabolische, orthopädische, respiratorische, dermatologische, psychiatrische
Sekundärveränderungen.
Durchführung und Interpretation:
zu 1.
Messung von Körpergröße und Körpergewicht mit geeichten Messinstrumenten. Ermittlung der BMI-Perzentile oder des BMI SDS (siehe Kap. 1).
Bei Jugendlichen > 15 Jahre: Bestimmung der Körperfettverteilung durch Messung des Taillen- und Hüftumfangs (nach WHO-Kriterien) (Bewertung derzeit aufgrund fehlender Referenzwerte nicht möglich. Erwachsene Frau: WHR>0,85, erwachsener Mann>1,00 = abdominelle oder zentrale Körperfettverteilung).
zu 2. (s.a. Flussdiagramm 2)
Chronische Erkrankungen mit Immobilität (z.B. Meningomyelozele)
Bei Kleinwuchs oder Verlassen der Größenperzentile nach unten: radiologische Bestimmung des Skelettalters und Kleinwuchsdiagnostik.
Bei mentaler Retardierung und Dysmorphiezeichen: humangenetisches Konsil, gegebenenfalls Chromosomenanalyse, DNA-Diagnostik (s.a. Kapitel 5).
Bei ZNS-Ausfällen (und Visusverschlechterung und vegetativen Störungen): kraniale MRT oder CT (hypothalamisches Syndrom, Kraniopharyngeom, Z.n. Bestrahlung, Trauma, Meningitis).
Positive Medikamentenanamnese (z.B. Glukokortikoide, Insulin, Valproat, Phenothiazine).
Ergänzung:
Mögliche Ursachen einer Adipositas/Makrosomie des Neugeborenen (s.a. Kapitel 5):
zu 3. (s.a. Flussdiagramm 3)
Anamnese:
Dokumentation von Größe und Gewicht der Familienmitglieder (zur Beurteilung des Risikos des Fortbestehens der Adipositas (s. Kapitel 1)).
Frage nach Adipositas-relevanten Erkrankungen in der Familie (Typ II - Diabetes mellitus, Hypertonie, Herzinfarkt, Arteriosklerose, Hyperurikämie).
Labordiagnostik:
Immer: Serumkonzentrationen von Gesamt-Cholesterin, HDL-Cholesterin, LDL-Cholesterin, Triglyzeride (nüchtern), TSH*.
*Die Bestimmung des TSH dient zum Ausschluss einer Hypothyreose als Grunderkrankung bei Adipositas, z.B. Autoimmun-Thyreoiditis, Jodmangelstruma oder Schilddrüsen-Dysplasie. Eine mässige TSH-Erhöhung kann reversible Begleiterscheinung einer Adipositas sein und ist nach derzeitigem Wissensstand bei normalen Schilddrüsenhormonwerten und Ausschluss voranstehender Schilddrüsenerkrankungen nicht therapiebedürftig.
In Abhängigkeit von der familiären Belastung: Oraler Glukosetoleranztest, Lp(a), Homocystein und Harnsäure im Serum, u.a.
weitere Diagnostik:
Immer: systolischer und diastolischer Blutdruck mit entsprechender Manschettenbreite.
In Abhängigkeit von der Anamnese und vom klinischen Befund: Schlaf-Apnoe-Screening, orthopädisches Konsil.
Besonderheiten: bei extremer Adipositas und bei dem Vorliegen zusätzlicher Symptome sind weitere diagnostische Schritte empfehlenswert (s.a. Abschnitt 4.)
2.1.3 Literatur:
Dieser Teil der Leitlinien basiert u.a. auf folgender Literatur:
Barlow SE, Dietz WH (1998). Obesity Evaluation and Treatment: Expert Committee Recommendations. Paediatrics 102, e29.
Poskitt EME (1995). Obesity. In: Brook CGD (ed.), Clinical Paediatric Endocrinology, 3rd ed., Blackwell Science, Oxford, 210-233.
Wabitsch M (1999) Adipositas. In: Michalk, Schönau (Hrsg.), Differentialdiagnose Pädiatrie, Urban & Schwarzenberg, München, 30 – 37.
Erarbeitet von: M. Wabitsch (Koordinator), D. L'Allemand, D. Kunze, G. Simic-Schleicher, K. Widhalm.
2.2 Psychologische, psychosoziale und Verhaltensdiagnostik
2.2.1 Vorbemerkung
Die Diagnostik des Verhaltens sowie psychologischer und psychosozialer Aspekte bei der Adipositas von Kindern und Jugendlichen verfolgt drei verschiedene Ziele :
2.2.2 Überprüfen von Kontraindikationen
Wie im Kapitel 3 (Therapie) ausgeführt, können schwere psychosoziale Belastungen wie Verhaltens- und Entwicklungsstörungen oder extreme familiäre Belastungssituationen sowie ein hohes Risiko von Essstörungen eine andere Therapie als die Therapie der Adipositas vordringlich machen. Die meisten psychischen Störungen und psychosozialen Belastungen können als relative Kontraindikation verstanden werden, die ein sorgfältiges Abwägen der Chancen und Risiken einer Adipositastherapie aufgrund klinischer Erfahrung erfordern. Bulimische Essstörungen stellen eine absolute Kontraindikation dar, da hier das Aufgeben von gezügeltem Essverhalten (bewusste Einschränkung der Nahrungsaufnahme, um abzunehmen oder um eine Gewichtszunahme zu verhindern) therapeutisch notwendig ist.
Anamnestisch ist das Vorliegen von schwerwiegenden psychosozialen Belastungen und psychischen Störungen bzw. Entwicklungsstörungen zu klären. Insbesondere bei Jugendlichen muss dabei das Bestehen einer Essstörung wie Bulimia nervosa und Binge Eating Disorder überprüft werden (Die Prävalenz bulimischer Esstörungen bei Jugendlichen liegt bei ca. 2 Prozent (Wittchen et al., 1998). Bei Kindern unter 10 Jahren sind bulimische Essstörungen selten. Die Diagnostischen Kriterien hierfür sind in Tab. 1 und 2 dargestellt.
Tabelle 1: DSM-IV Kriterien für Bulimia nervosa (APA 1994)
A Regelmäßige Essanfälle. Ein Essanfall ist durch folgende zwei Merkmale gekennzeichnet:
(1) In einem abgrenzbaren Zeitraum (z.B. innerhalb von 2 Stunden) wird eine Nahrungsmenge gegessen, die deutlich größer ist als die Menge, die die meisten Anderen im selben Zeitraum und unter den gleichen Umständen essen würden.
(2) Während des Essanfalls wird der Verlust der Kontrolle über das Essen empfunden (z.B. das Gefühl, nicht mit essen aufhören zu können oder nicht im Griff zu haben, wie viel gegessen wird).
B Regelmäßiges unangemessenes Kompensationsverhalten, um einen Gewichtsanstieg zu vermeiden, wie selbst-herbeigeführtes Erbrechen, Missbrauch von Abführmitteln, Diuretika, Einläufen oder von anderen Medikamenten, Fasten oder exzessiver Sport.
C Die Essanfälle und das unangemessenes Kompensationsverhalten treten beide im Durchschnitt mindestens zweimal pro Woche für 3 Monate auf.
D Die Bewertung der eigenen Person wird durch Figur und Gewicht übermäßig beeinflusst
E Die Störung tritt nicht ausschließlich während einer Phase der Anorexia nervosa auf.
Subtyp angeben:
Abführender Typ: In der gegenwärtigen Phase der Bulimia nervosa praktiziert die Person regelmäßig selbst-herbeigeführtes Erbrechen, oder den Missbrauch von Abführmitteln, Diuretika oder Einläufen.
Nicht-abführender Typ: In der gegenwärtigen Phase der Bulimia nervosa benutzt die Person anderes unangemessenes Kompensationsverhalten, wie Fasten oder exzessiven Sport, praktiziert aber nicht regelmäßig selbst-herbeigeführtes Erbrechen oder den Missbrauch von Abführmitteln, Diuretika oder Einläufen.
Tabelle 2: Diagnositische Kriterien für Binge Eating Disorder (BED) (APA 1994)
A Regelmäßige Essanfälle. Ein Essanfall ist durch folgende zwei Merkmale gekennzeichnet:
(1) In einem abgrenzbaren Zeitraum (z.B. innerhalb von 2 Stunden) wird eine Nahrungsmenge gegessen, die deutlich größer ist als die Menge, die die meisten Anderen im selben Zeitraum und unter den gleichen Umständen essen würden.
(2) Während des Essanfalls wird der Verlust der Kontrolle über das Essen empfunden (z.B. das Gefühl, nicht mit essen aufhören zu können oder nicht im Griff zu haben, wie viel gegessen wird).
B Die Essanfälle sind mit drei (oder mehr) der folgenden Merkmale verbunden:
(1) es wird wesentlich schneller gegessen als normal,
(2) es wird gegessen, bis man sich unangenehm voll fühlt,
(3) es werden große Mengen gegessen, obwohl man sich nicht körperlich hungrig fühlt,
(4) es wird allein gegessen, weil es einem peinlich ist, wie viel man isst,
(5) man fühlt sich von sich selbst angeekelt, depressiv oder sehr schuldig nach dem Überessen.
C Es besteht hinsichtlich der Essanfälle merkliche Verzweiflung
D Die Essanfälle treten im Durchschnitt an mindestens 2 Tagen pro Woche über 6 Monate auf.
E Die Essanfälle sind nicht mit der regelmäßigen Anwendung von unangemessenem Kompensationsverhalten (z.B. abführende Maßnahmen, Fasten oder exzessiver Sport) verbunden und treten nicht im Verlauf einer Anorexia nervosa oder Bulimia nervosa auf.
Zur Abklärung sollte danach gefragt werden, ob der bzw. die Betroffene Situationen erlebt, in denen große Nahrungsmengen verschlungen werden und in denen der oder die Betroffene das Gefühl hat, die Kontrolle über das Essen verloren zu haben. Ein Screening-Instrument für Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen wurde kürzlich als deutsche Übersetzung und kind- und jugendgerechte Adaptation des SCOFF entwickelt und validiert (Ströbel & Löffler, 2001). Der 6 Items umfassende Fragebogen ist bei Jugendlichen gut, bei Kindern ab 10 Jahren bedingt, bei Kindern unter 10 Jahren nicht einsetzbar.
Bei Vorliegen konkreter anamnestischer Anhaltspunkte für Verhaltensstörungen muss eine weitergehende Abklärung erfolgen. Als standardisiertes Instrument eignet sich hierfür die Child behavior checklist (CBCL). Sie kann beginnend mit dem 3. Lebensjahr und endend mit dem 18. Lebensjahr eingesetzt werden. Sie liegt in deutscher Übersetzung und dtsch. Normen in der Bearbeitung von Döpfner et al. (1997, 1998) vor. Mit der CBCL werden internalisierende Auffälligkeiten (Sozialer Rückzug, Körperliche Beschwerden, Ängstlichkeit und Depressivität) und externalisierende Auffälligkeiten (Dissoziales und aggressives Verhalten, Aufmerksamkeit und Hyperaktivitätssörungen sowie schizoid/zwanghafte Störungen) erfasst. Die CBCL liegt in einer Eltern-, Lehrer- und Jugendlichen-Selbsteinschätzungsversion vor.
Eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie der Adipositas ist es, dass eine ausreichende Motivation zur Mitarbeit beim betroffenen Kind bzw. Jugendlichen und seinen relevanten Bezugspersonen geschaffen werden kann. Diese Voraussetzung sollte in einem explorativen Gespräch abgeklärt werden. Wenn es nicht gelingt, eine Motivation zur Mitarbeit beim betroffenen Kind oder Jugendlichen zu schaffen, bleibt der Erfolg therapeutischer Maßnahmen fraglich. Die Bereitschaft zur Mitarbeit durch die Bezugspersonen wird je nach therapeutischem Ansatz und Setting unterschiedliches Gewicht haben. Standardisierte Verfahren zur Überprüfung der Motivation, die im Hinblick auf ihre prognostische Aussagekraft validiert sind, sind bislang noch nicht bekannt. Subjektive Krankheits- und Behandlungskonzepte haben dabei sinnvollerweise ebenso Berücksichtigung zu finden wie Erkenntnisse zu Barrieren der Compliance z.B. Behandlungsängste (vgl. Petermann & Mühlig 1998; Petermann & Wiedebusch 2001).
2.2.3 Diagnostik zu Einleitung und Steuerung des Therapieprozesses
Die notwendige und sinnvolle Diagnostik zu Einleitung und Steuerung des Therapieprozesses ist von der jeweiligen therapeutischen Strategie abhängig (siehe 3.3 Empfehlungen zur Therapie). Zu den Fragen, die im klinischen Alltag häufig zu entscheiden sind, gehören z.B.:
Die derzeitige Literaturlage erlaubt es nicht, fundierte Empfehlungen darüber zu geben, dass bei einer bestimmten psychologischen oder psychosozialen Ausgangslage, die eine oder andere therapeutische Vorgehensweise vorteilhafter ist. Ebenso besteht ein Defizit an validierten Instrumenten. Hier besteht erheblicher Forschungsbedarf. Diese Fragen müssen in der Praxis zumeist auf der Basis von explorativen und anamnestischen Interviews entschieden werden.
2.2.4 Diagnostik zur Evaluation
Durch psychologische, psychosoziale und Verhaltensdiagnostik sollte überprüft werden, ob die im Kapitel 3.2 definierten Ziele der Adipositastherapie (insbesondere 2.,4. und 5.) im Laufe des therapeutischen Prozesses erreicht werden bzw. ob eine Annäherung stattfindet. Insgesamt besteht auch hier noch erheblicher Forschungs- und Entwicklungsbedarf. Im folgenden sind mögliche Erhebungsverfahren aufgelistet, deren Praxiseinsatz noch erprobt werden muss.
2.2.4.1 Ernährungs- und gewichtsbezogene Einstellungen und Verhaltensweisen
Aufgrund der Entwicklungssituation bei Kindern und Jugendlichen sollte es bei dieser Zielgruppe leichter als bei Erwachsenen möglich sein, Einstellungen und Verhaltensweisen zu verändern. Damit kommt den Parametern des Essverhaltens mit dem Ziel ihrer Veränderung in einem Essverhaltenstraining eine ganz andere Bedeutung zu.
Zur Erfassung von ernährungs- und gewichtsbezogenen Einstellungen und Verhaltensweisen der Kinder bietet sich das "Inventar zum Essverhalten und Gewichtsproblemen für Kinder" (IEG-Kind von Diehl, 1999) an. Es handelt sich bei diesem Verfahren um das einzige z.Zt. vorliegende deutsche Instrument zur Erfassung der Einstellungen zum Ess- und Ernährungsverhalten für Kinder und Jugendliche, das ab dem 11. Lebensjahr anwendbar ist.
Zur differenzierten Erfassung der Ernährungsgewohnheiten bieten sich für Kinder ab dem Grundschulalter das Verfahren des Lebensmittelhäufigkeitsfragebogens (Food Frequency List) an (Mast et al., 1998). Hier gibt es verschiedene Varianten, die allerdings derzeit noch nicht standardisiert und validiert sind. Bei älteren Kindern und Jugendlichen kommt in Abhängigkeit von der Motivationslage auch ein Ernährungstagebuch in Frage.
2.2.4.2 Selbstwert
Der kindliche Entwicklungsstand sowie die spätere pubertäre und anschließende adoleszente Lebensphase des Heranwachsenden spiegeln unterschiedliche Ausprägungen des Selbstwertes wider, der in diesen Lebensphasen herausgebildet wird. Die Wahrnehmung des eigenen Körperbildes, deren Beeinflussung von außen und die Wirkung auf das andere Geschlecht können in der Adipositas-Behandlung nicht ignoriert werden.
Zur Erfassung des Selbstwertes der Kinder bzw. Jugendlichen wird vorgeschlagen, bis zum 14. Lebensjahr die Aussagenliste zum Selbstwertgefühl für Kinder und Jugendliche (ALS) zu verwenden (Schauder, 1991). Mit diesem Verfahren kann Selbstwert in den Bereichen Schule, Freizeit, Familie erfasst werden. Für ältere Jugendliche ab dem 14. Lebensjahr wird vorgeschlagen den Offer-Selbstbildfragebogen einzusetzen (Steinhausen, 1989). Er liegt in einer "männlichen" und "weiblichen" Form vor.
2.2.4.3 Lebensqualität
Zur Erfassung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität von Kindern und Jugendlichen existiert der KINDL (Ravens-Sieberer und Bullinger, 1998) und das ILK (Mattejat et al., 1998) in verschiedenen Fassungen für unterschiedliche Altersgruppen.
2.2.5 Zusammenfassung
Die psychologische, psychosoziale und Verhaltensdiagnostik dient dazu, psychologische oder psychosoziale Kontraindikationen für die Therapie zu überprüfen, den Ablauf der Therapie zu steuern und die Effekte der Therapie im Hinblick auf psychologische, psychosoziale und Verhaltensaspekte zu evaluieren. Für viele dieser Fragestellungen muss auf das anamnestische Gespräch bzw. klinische Interview zurückgegriffen werden, für einige Fragestellungen stehen jedoch bereits standardisierte und validierte Erhebungsinstrumente zu Verfügung. Insgesamt besteht hier noch erheblicher Forschungsbedarf.
2.2.6 Literatur
American Psychiatric Association (APA) (1994). Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders. Forth Edition. DSM-IV. Washington, DC: American Psychiatric Association.
Diehl, J.M. (1999). Inventar zum Essverhalten und Gewichtsproblemen für Kinder (IEG-Kind). (Beim Autor erhältlicher) Anhang zu: Diehl, J.M. (1999). Einstellungen zu Essen und Gewicht bei 11- bis 16jährigen Adoleszenten. Schweizerische Medizinische Wochenschrift, 129, 162-175.
Döpfner, M., Plück, J., Berner, W., Fegert, J.M., Huss, M., Lenz, K., Schmeck, K., Lehmkuhl, U., Poustka, F., Lehmkuhl, G. (1997). Psychische Auffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen in Deutschland - Ergebnisse einer repräsentativen Studie: Methodik, Alters-, Geschlechts- und Beurteilereffekte. Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, 25, 218-233
Döpfner, M., Plück, J., Berner, W., Englert, E., Fegert, J.M., Huss, M., Lenz, K., Schmeck, K., Lehmkuhl, G., Lehmkuhl, U., Poustka, F. (1998): Psychische Auffälligkeiten und psychosoziale Kompetenzen von Kindern und Jugendlichen in den neuen und alten Bundesländern - Ergebnisse einer bundesweit repräsentativen Studie. Zeitschrift für klinische Psychologie, 27, 9-19
Mast, M. et al. (1998). Ernährungsverhalten und Ernährungszustand 5-7jähriger Kinder in Kiel. Aktuelle Ernährungs-Medizin, 23, 282-288.
Mattejat, F., Jungmann, J., Meusers, M., Moik, C., Schaff, C., Schmidt, M.-H., Scholz, M., Remschmidt, H. (1998): Das Inventar zur Erfassung der Lebensqualität bei Kindern und Jugendlichen (ILK). Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie, 26, 174-182.
Lohaus, A., Fleer, B., Freytag, P. & Klein-Heßling , J. (1996). Fragebogen zur Erhebung von Streßerleben und Streßbewältigung im Kindesalter. Göttingen: Hogrefe.
Petermann, F. & Mühlig, S. (1998). Grundlagen und Möglichkeiten der Compliance-Verbesserung. In F. Petermann (Hrsg.), Compliance und Selbstmanagement (S. 73-102). Göttingen: Hogrefe
Petermann, F. & Wiedebusch, S. (2001). Patientenschulung mit Kindern: Wie lassen sich subjektive Krankheits- und Behandlungskonzepte berücksichtigen? Kindheit und Entwicklung, 10, 13-27
Ravens-Sieberer, U., Bullinger, M., Assessing the health related quality of lif in chronically ill children with the German KINDL: first psychometric and content-analytical results. Quality of Life Research, 7, 299-408.
Schauder, T. (1991). Die Aussagen-Liste zum Selbstwertgefühl für Kinder und Jugendliche ALS. Weinheim: Beltz.
Steinhausen, H.-C. (Hrsg.) (1989). Der Offer-Selbstbild-Fragebogen für Jugendliche (Handbuch, 2. revid. Auflage). Zürich: Selbstverlag
Ströbel, A, Löffler, S. (2001). Validerung eines Fragebogens zur Erfassung von Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen. Unveröff. Diplomarbeit (Betreuer: Prof. Westenhöfer), Fachbereich Ökotrophologie, Fachhochschule Hamburg.
Wittchen, H.U., Nelson, C.B., Lachner, G. (1998). Prevalence of mental disorders and psychosocial impairments in adolescents and young adults. Psychological Medicine, 28, 109-126.
2.2.7 Bezugsquellen der genannten diagnostischen Instrumente
-Child behavior checklist:
Arbeitsgruppe KJFD, Geschäftsstelle, c/o Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes und Jugendalters der Universität Köln, Robert-Kochstr. 10, 50931 Köln, Tel. 0221/478 6117, Fax 0221/478 6104
-Screening von Essstörungen
Prof. Dr. Joachim Westenhöfer, Fachhochschule Hamburg, Fachbereich Ökotrophologie, Arbeitsgruppe Ernährungs- und Gesundheitspsychologie, Lohbrügger Kirchstraße 65, 21033 Hamburg
-Ernährung- und gewichtsbezogene Einstellungen:
Prof. Dr. Dipl. Psych. Jörg Diehl, Fachbereich Psychologie, Justus-Liebig-Universität Gießen, Otto-Behagelstr. 10, 35396 Gießen, joerg.diehl@psychol.uni-giessen.de
-Offer Selbstbildfragebogen
Steinhausen H.C. (Hrsg.), Handbuch, 2. rev. Auflage, 1989. Prof. Dr. Dr. Steinhausen, Psychiatrische Universitäts-Poliklinik für Kinder und Jugendliche, Freiestr. 15, 8032, Zürich, Schweiz
-alle anderen Instrumente (soweit nicht in der zitierten Literatur):
Testzentrale des Berufsverbandes deutscher Psychologen, Postfach 3751, 37027 Göttingen,
testzentrale@HansHuber.comErarbeitet von: J. Westenhöfer (Koordinator), R. Laessle, U. Tiedjen, A. von Hippel, Z. Vahabzadeh, M. Wabitsch, H. Weyhreter
3. Therapie
3.1. Indikationsstellung
3.1.1. Vorbemerkung
Grundsätzlich hängt die Indikationsstellung zum einen von den bestehenden funktionellen Einschränkungen und der psychosozialen Beeinträchtigung und zum anderen von den somatischen und psychiatrischen Folgeerkrankungen der Adipositas ab sowie vom Risiko ihres Fortbestehens ins Erwachsenenalter hinein. Das Alter und das Ausmaß der Adipositas (beides beeinflusst die genannten Risiken) muss bei der Indikationsstellung mit berücksichtigt werden. Diese Leitlinien basieren auf den Empfehlungen von einer US-amerikanischen Expertengruppe zur Adipositas-Therapie (Barlow und Dietz, Pediatrics 1998, 102, p. e29)
und werden für die Anwendung in Deutschland modifiziert.
3.1.2 Indikation zu therapeutischen Maßnahmen
Grundsätzlich muss jedem adipösen Patienten eine Adipositas-Therapie ermöglicht werden. Bei Kindern im Alter von 2 Jahre bis 6 Jahren, die übergewichtig sind oder die eine Adipositas ohne Begleiterkrankungen haben kann es ausreichend sein, das aktuelle Gewicht zu halten. Bei Kindern mit Adipositas und bestehenden Begleiterkrankungen besteht in dieser Altersgruppe eine Indikation zur Gewichtsabnahme. Bei Kindern und Jugendlichen, die älter als 6 Jahre sind und übergewichtig sind ohne Begleiterkrankungen aufzuweisen ist ebenfalls eine Gewichtskonstanz anzustreben. Bei Patienten mit Adipositas oder mit Übergewicht und Begleiterkrankungen ist in dieser Altersgruppe eine Gewichtsabnahme indiziert (Flussdiagramm 4).
Ausnahmen:
Beim Vorliegen einer anderen schwerwiegenden Erkrankung, einer schweren psychosozialen Belastung und eines erkennbaren Risikos für eine Essverhaltensstörung (s. Kapitel 2.2) kann eine andere Therapie vorrangig sein. Aufgrund des geringen langfristigen Risikos sollte bei Kindern, die jünger als 4 Jahre sind und deren Eltern nicht adipös sind, zunächst nur eine präventive Beratung durchgeführt werden.
Beim therapeutischen Vorgehen müssen folgende Faktoren berücksichtigt werden (siehe auch Flussdiagramm 4):
3.1.3 Indikationen zur Therapie der Komorbidität
Für die Therapie der Komorbidität der Adipositas ist häufig eine relative Gewichtsabnahme ausreichend. Schwerwiegende Sekundärkomplikationen der Adipositas können auch primär eine spezifische Therapie in einem pädiatrischen Zentrum erforderlich machen (z.B. operatives Vorgehen bei Epiphyseolysis capitis femoris, CPAP-Atemunterstützung bei Schlaf-Apnoe-Syndrom, Psychotherapie bei schwerwiegender sekundärer psychischer Komorbidität). Bei ausbleibendem Erfolg der Adipositas-Therapie ist ebenfalls eine spezifische Therapie der Komorbidität indiziert (z.B. Antihypertensiva bei Bluthochdruck).
Erarbeitet von: M. Wabitsch (Koordinator), D. Kunze.
3.2 Therapieziele
Die Therapie sollte langfristig durchgeführt werden und für den Patienten und seine Familie schrittweise kleine realisierbare Ziele verfolgen.
Ziele:
Ad 1. Bei Kindern und Jugendlichen kann auch eine Gewichtskonstanz über einen längeren Zeitraum ein ausreichendes therapeutisches Ziel sein, wenn das Längenwachstum noch nicht abgeschlossen ist (s. Flussdiagramm 4 unter 3.1.3).
Ad 2. Bei mangelnder Bereitschaft und Motivation zu Verhaltensänderungen kann deren Aufbau und die Verbesserung ein vorrangiges Ziel sein.
Ad 3. Eine Verbesserung oder Normalisierung der Komorbidität (z.B. erhöhter Blutdruck, Fettstoffwechselstörung) kann bereits bei leichter Gewichtsreduktion erreicht werden. Hierfür ist keine Normalisierung des Gewichtes erforderlich.
Ad 4. Unerwünschte Therapieeffekte sind unter 3.3 aufgelistet.
Ad 5. Eine altersentsprechende, angemessene Interaktion des Patienten mit seinem sozialen Umfeld bzw. seiner Familie unterstützt die Therapie. Dies heißt jedoch auch, dass eine selbständige Lebensgestaltung gefördert werden soll. Zu Gunsten einer normalen psychischen Entwicklung kann es erforderlich sein, medizinische Behandlungsziele vorübergehend in den Hintergrund zu stellen.
Erarbeitet von: H. Mayer (Koordinator), D. l’Allemand, A. Chen-Stute, G. Koch, U. Korsten-Reck, J. Oepen, A. von Hippel, M. Wabitsch.
3.3 Empfehlungen zur Therapie
3.3.1 Vorbemerkung
Über effektive Therapie der Adipositas im Kindes- und Jugendalter ist wenig bekannt, bislang gibt es noch kaum evidenz-basierte Empfehlungen. Die meisten der angewandten Therapieverfahren sind ungenügend evaluiert. Es besteht daher ein großer Bedarf an der Entwicklung effektiver Therapien und ihrer Evaluierung nach strengen Kriterien.
Nach dem heutigen Kenntnisstand spielen in der Pathophysiologie der Körpergewichtsregulation genetische Faktoren neben ungünstigen Umgebungsfaktoren eine bedeutende Rolle. Daher ist oft ein lebenslanges Management erforderlich (analog zu anderen durch genetische Faktoren bedingte Erkrankungen wie Hypercholesterinämie, Mucoviszidose, u.a.). Eine kausale Therapie der Neigung zur übermäßigen Gewichtszunahme ist heute noch nicht möglich.
Durch kann eine Veränderung des Ernährungs- und Bewegungsverhaltens kann eine Gewichtskontrolle und -abnahme erreicht werden. Nach Untersuchungen von Epstein haben an die Eltern gerichtete therapeutische Maßnahmen, mit dem Ziel, die Verhaltensänderungen der Kinder zu unterstützen, einen signifikanten Effekt auf den Therapieerfolg (Epstein 1990).
3.3.2 Charakteristika eines sinnvollen therapeutischen Vorgehens
Das therapeutische Vorgehen richtet sich nach den Therapiezielen (s. 3.2.). Eine Veränderung der Energiebilanz des Körpers soll durch eine Reduktion der Energie/Fett-Zufuhr (Ernährungsumstellung) z.B. auf der Grundlage der optimierten Mischkost (Kersting, 1993) (s. 3.5) und durch eine Erhöhung des Energieverbrauchs (Steigerung der körperlichen Aktivität) erreicht werden (s.a. Korsten-Reck 1997). Dazu ist in der Regel eine langfristige therapeutische Maßnahme (z.B. Verhaltenstherapie, Familientherapie) erforderlich, in die die Personen des engeren sozialen Umfeldes des Patienten einbezogen werden. Die Therapie und Betreuung des Patienten und seiner Familie muss durch den Kinder- und Jugendarzt/Hausarzt koordiniert werden und sollte unter Mitbetreuung durch Psychologen, Ernährungsfachkräfte und Sporttherapeuten durchgeführt werden.
Neben der Notwendigkeit der Wissensvermittlung sollen Änderungen des Ernährungs- und Bewegungsverhaltens in kleinen, für den Patienten realisierbaren Schritten erreicht werden. Es gilt dabei, ein Problembewusstsein zu schaffen, die Motivation zu steigern, erlernte, neue Verhaltensweisen zu festigen, die Selbstkontrolle zu schulen und Rückfallverhütungsstrategien zu erarbeiten. Sind ausreichende Verhaltensänderungen stabilisiert worden, kann die Betreuung des Patienten durch den Therapeuten gelockert werden. Eine regelmäßige Betreuung ist jedoch über viele Jahre notwendig, um das Beibehalten der neuen Verhaltensweisen weiter zu überprüfen und um Rückfällen rechtzeitig entgegen zu wirken.
3.3.3 Aufbau eines Therapieprogramms
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, ein therapeutisches Konzept gemäß den Therapiezielen (s. Abschnitt 3.2.) und den Charakteristika einer Strategie (s.o.) aufzubauen. In Deutschland werden für Kinder und Jugendliche zahlreiche und unterschiedliche Therapieprogramme angeboten. Diese haben nahezu alle gemeinsam, dass keine Langzeitbetreuung der Patienten ermöglicht wird. Beim Aufbau eines Therapieprogramms sind die in Abschnitt 3.4. dargestellten Grundsätze des Qualitätsmanagements zu berücksichtigen und ambulante und stationäre Maßnahmen zu vernetzen.
Schulungsprogramme können das Erreichen der therapeutischen Ziele unterstützen.
Eine stationäre Therapiemaßnahme kann im Rahmen eines langfristigen Therapieprogramms sinnvoll und vorteilhaft sein, wenn:
3.3.4 Mögliche Nebenwirkungen einer Therapie
Die Adipositas-Therapie kann wie andere Therapien unerwünschte Nebenwirkungen haben und erfordert deshalb eine ärztliche Betreuung. Nebenwirkungen können sein:
Die Bewertung der Nebenwirkungen im Verhältnis zur Fortführung der Therapie muss in der Entscheidung des behandelnden Arztes liegen.
3.3.5 Andere Therapieformen
Bei der Erfolglosigkeit einer herkömmlichen Therapie oder schwerwiegender Komorbidität können andere, bislang nicht ausreichend überprüfte Therapiemaßnahmen (Formuladiät, medikamentöse Therapie, chirurgische Therapie) erwogen werden. Die Indikation hierzu sollte durch einen auf dem Gebiet der Adipositas im Kindes- und Jugendalter erfahrenen Therapeuten gestellt werden. Grundsätzlich gilt auch hier, dass jede therapeutische Maßnahme im Rahmen eines langfristig angelegten, interdisziplinären Therapieprogramms durchgeführt werden muss.
3.3.6 Zusammenfassung
Die Therapie der Adipositas bei Kindern und Jugendlichen orientiert sich an den Therapiezielen. In der Regel soll eine dauerhafte Veränderung des Ernährungs- und Bewegungsverhaltens bei Patienten und den Personen der engeren sozialen Umgebung erreicht werden. Es ist ein langfristig angelegtes Therapiekonzept nötig, für das ein System zur Qualitätssicherung vorliegen muss.
Literatur
Barlow SE, Dietz WH (1998). Obesity Evaluation and Treatment: Expert Committee Recommendations. Paediatrics 102, e29.
Epstein LH (1990). Behavioral treatment of Obesity. In: Stricher (ed.). Handbook of Behavioral Neurobiology. Plenum Publishing Corp.,NY, pp61-73
Korsten-Reck U (1997). Konzept für ein bundesweit umsetzbares ambulantes Programm der Therapie und Prävention der Adipositas bei Kindern und Jugendlichen. In: Traenckner K, Berg A, Jüngts BK, Halhuber MJ, Rost R (Hrsg) Prävention und Rehabilitation im Kindes- und Jugendalter, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, 153-156
Kersting M, Chahda C, Schöch G (1993). Die Optimierte Mischkost als Präventionsernährung für Kinder und Jugendliche. Teil 1: Lebensmittelauswahl. Ernährungs-Umschau 40: 164-169
Kersting M, Zempleni S, Schöch G (1993). Die Optimierte Mischkost als Präventionsernährung für Kinder und Jugendliche. Teil 2: Nährstoffzufuhr. Ernährungs-Umschau 40: 204-209
Erarbeitet von: J. Oepen (Koordinator), A. Chen-Stute, Glindemann, B. Koletzko, U. Korsten-Reck, D. Kunze, H. Mayer, W. Siegfried, G. Simic-Schleicher, K. Stübing, S. Vahabzadeh, M. Wabitsch, P. Warschburger, S. Wiegand.
3.4.1 Ziel
Reduktion der Energiezufuhr im Rahmen einer ernährungsphysiologisch ausgewogenen, als Dauerernährung geeigneten Mischkost. Ein in der Praxis handhabbares Konzept wäre z. B. das der Optimierten Mischkost (2, 8, 9).
3.4.2 Ernährungsphysiologische Inhalte der Ernährungsempfehlungen
Lebensmittelauswahl
Die Kost sollte wissenschaftlichen und praktischen Kriterien (Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr, Prävention von ernährungsmitbedingten Erkrankungen, landesübliche Ernährungsgewohnheiten, verfügbare Lebensmittel, kindliche Essensvorlieben und -abneigungen) gerecht werden. Sie sollte für Kinder und Jugendliche aller Altersgruppen bei ambulanter Therapie (Familienernährung), bei stationärer Behandlung und im Alltag realisierbar sein. Diese Bedingungen werden beim Konzept der Optimierten Mischkost berücksichtigt (2, 8, 9).
Die Lebensmittelauswahl sollte sich an drei Regeln orientieren (Tab. 1):
Diese Regeln entsprechen grundsätzlich den Richtlinien des Ernährungskreises der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) (4) sowie der US-Ernährungspyramide (3). Sie werden durch Empfehlungen für altersgemäße Lebensmittelverzehrsmengen konkretisiert (Tab. 1). Es ist ausreichend, wenn die Tabellenangaben als Wochendurchschnitt erreicht werden.
Beispielhafte, nährstoffkontrollierte 7-Tage-Speisepläne können die Umsetzung in der Praxis erleichtern (6). Um unkontrolliertes ‚Zwischendurchessen‘ zu vermeiden, soll die Nahrungszufuhr durch einen Mahlzeitenrhythmus im Tagesablauf strukturiert werden.
Nährstoffzufuhr
Empfohlen werden Lebensmittel mit hohen Nährstoffdichten (hohe Gehalte von Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen bezogen auf den Energiegehalt), die mindestens 90 % des Energiebedarfs und den gesamten Nährstoffbedarf decken (Tab. 1). Die restlichen maximal 10 % des Energiebedarfs können durch sogenannte "geduldete" Lebensmittel, z. B. Süßigkeiten, gedeckt werden. Dabei erfolgt die Energiezufuhr (E%) zu ca. 15 % aus Protein, 30 % aus Fett und 55% aus Kohlenhydraten (5 % Zuckerzusätze). Dies bedeutet für die meisten Kinder und Jugendlichen eine wesentliche, präventivmedizinisch sinnvolle Ernährungsumstellung im Vergleich zur derzeit üblichen Ernährung (13 : 38 : 49 (14) E%) (10). In der Optimierten Mischkost werden keine Verbote für bestimmte Lebensmittel ausgesprochen.
3.4.3 Höhe der Energiezufuhr
Die Energiezufuhr aus der Summe der empfohlenen und geduldeten Lebensmittel entspricht den DGE-Richtwerten für die Energiezufuhr (Tab. 1). Diese sind Durchschnittswerte pro Altersgruppe und Geschlecht. Sie beziehen sich auf mittlere körperliche Aktivität und Normalgewicht (5).
Ernährungsumstellung
Bei vielen adipösen Kindern und Jugendlichen dürfte bei Einhaltung der Richtwerte für die Energiezufuhr (Tab. 1) bereits eine Gewichtskonstanz zu erreichen sein (7).
Erhöhung des Energieverbrauchs
Bei Erhöhung des Energieverbrauchs durch vermehrte körperliche Aktivität zusätzlich zur Ernährungsumstellung kommt es zu einem zusätzlichen Defizit in der Energiebilanz.
Energie-, fett- und zuckerreduzierte Mischkost
Im Rahmen der Optimierten Mischkost (Basis: 7-Tage-Speisepläne) ist eine Reduktion der Energiezufuhr durch weitere Einschränkung der Fett- und Zuckerzufuhr um bis zu 15 % ohne nennenswerte Minderungen der Zufuhr essentieller Nährstoffe möglich (2, 9). Eine weitergehende Kalorienreduktion kann notwendig sein, um die Therapieziele zu erreichen. Dabei ist besonders auf die ausreichende Zufuhr essentieller Nährstoffe zu achten.
Auf Verwendung von Speiseölen mit hohen Anteilen einfach/mehrfach ungesättigter Fettsäuren ist zu achten (1). Ein kompletter Verzicht auf Süßwaren wird aus psychologischen Gründen nicht empfohlen (12). Zur Energieeinsparung können Zuckerersatzstoffe (Süßstoffe) gelegentlich Verwendung finden (1).
Die Durchführung von Reduktionsdiäten durch
ist nicht zu empfehlen, da damit eine altersgemäße Nährstoffzufuhr bei Kindern und Jugendlichen gefährdet wird (11). Die Sicherheit und Effektivität von Formuladiäten zur Gewichtsreduktion bei Kindern und Jugendlichen sind bisher nicht überprüft.
3.4.4 Beratung und Betreuung
Jede Form einer Ernährungsumstellung zur Reduktion der Energiezufuhr bei Kindern und Jugendlichen sollte durch eine qualifizierte Betreuung begleitet werden. Empfohlen wird eine Kontrolle, z. B. durch Ernährungsprotokolle/-tagebücher, um eventuell auftretende Defizite bei der Nährstoffzufuhr zu erkennen und ausgleichen zu können. Die Betreuung sollte neben der Lebensmittelauswahl auch eine Veränderung des Essverhaltens beinhalten und die Familie bzw. Betreuungspersonen mit einbeziehen (spezieller Teil der Leitlinien).
3.4.5 Literatur
Tabelle 1: Altersgemäße Lebensmittelverzehrmengen
in der Optimierten Mischkost
Alter (Jahre) |
4-6 |
7-9 |
10-12 |
13-14 |
15-18 |
|
Energie1 | kcal/Tag | 1450 | 1800 | 2150 | 2200 / 2700 | 2500 / 3100 |
Empfohlene Lebensmittel |
w / m |
w / m |
||||
(³ 90 % der Gesamtenergie) | ||||||
Reichlich | ||||||
Getränke | ml/Tag | 800 | 900 | 1000 | 1200 / 1300 | 1400 / 1500 |
Brot, Getreide (-flocken) |
g/Tag | 170 | 200 | 250 | 250 / 300 | 280 / 350 |
Kartoffeln2 | g/Tag | 130 | 150 | 180 | 200 / 250 | 230 / 280 |
Gemüse | g/Tag | 200 | 220 | 250 | 260 / 300 | 300 / 350 |
Obst | g/Tag | 200 | 220 | 250 | 260 / 300 | 300 / 350 |
Mäßig | ||||||
Milch, -produkte3 | ml (g)/Tag | 350 | 400 | 420 | 425 / 450 | 450 / 500 |
Fleisch, Wurst | g/Tag | 40 | 50 | 60 | 65 / 75 | 75 / 85 |
Eier | Stck./Woche | 2 | 2 | 2-3 | 2-3 / 2-3 | 2-3 / 2-3 |
Fisch | g/Woche | 100 | 150 | 180 | 200 / 200 | 200 / 200 |
Sparsam | ||||||
Öl, Margarine, Butter | g/Tag | 25 | 30 | 35 | 35 / 40 | 40 / 45 |
Geduldete Lebensmittel | ||||||
(£ 10 % der Gesamtenergie) | ||||||
Zuckerreich | g/Tag | 40 | 50 | 60 | 60 / 75 | 70 / 85 |
Fettreich | g/Tag | 10 | 10 | 15 | 15 / 20 | 15 / 20 |
1
bezogen auf mittlere körperliche Aktivität;Erarbeitet von H. Kolbe (Koordinatorin) C. Chahda, A. Lawrenz, M. Kersting, M. Mast, S. Räkel-Rehner, U. Strittmatter
3.5. Anforderungen an ein Schulungsprogramm*
3.5.1 Vorbemerkung
Die Adipositasschulung soll ein integraler Bestandteil des Behandlungskonzeptes für die Adipositas im Kindes- und Jugendalter sein. Um das langfristige Ziel eines flächendeckenden Schulungsangebotes zu verwirklichen, ist der erste Schritt die Definition eines einheitlichen Grundkonzeptes, dessen Inhalte allerdings noch zu evaluieren sind. Die im folgenden aufgeführten Inhalte sind als Vorschläge zu verstehen.
3.5.2 Schulungsziele
In Übereinstimmung mit den Therapiezielen soll mit Hilfe der Adipositasschulung eine initiale und langfristige Gewichtsreduktion bei den Kindern und Jugendlichen durch Verbesserung ihrer Kompetenzen und Fähigkeiten erreicht werden. Verhaltensänderungen werden als wesentliche Ziele in der Ernährung, im Sport und der Bewegung, der Freizeitgestaltung und im Umgang mit der Erkrankung angestrebt. Bei Kindern soll die Familie mit einbezogen werden.
3.5.3 Indikation/Kontraindikation
Die Indikation zur Schulung setzt die Therapieindikation gemäß den AGA- Leitlinien (s. Kapitel 3.1) voraus. Eine Adipositasschulung im Kindes- und Jugendalter kann vom Beginn des Schulalters bis zum 18. Lebensjahr vorgenommen werden. Zumindest vorläufig ist das Gruppenschulungskonzept (s. u.) nicht für sekundäre Adipositas und Kinder und Jugendliche mit psychiatrischen Erkrankungen (z. B. Essstörungen), mit fehlender Gruppenfähigkeit oder mit intellektuellen Handicaps vorgesehen. Für diese Personengruppe sind individuelle Interventionen erforderlich.
3.5.4 Setting
Die altershomogene Gruppenschulung kann stationär oder ambulant vorgenommen werden. Im stationären Setting sollte die Dauer 6 Wochen betragen, ambulant ist eine Gesamtdauer von 12 Monaten vorzusehen. Das Schulungsteam ist interdisziplinär und verfügt über Qualifikationen für die Schulung medizinischer und psychosozialer Inhalte, sowie die Schulung der Bereiche Ernährung, Bewegung und Sport.
3.5.5 Inhalte und Module
3.5.5.1 Medizinische Inhalte
Medizinische Inhalte fließen in verschiedene Schulungsmodule ein. Das Thema der Folgeerkrankungen ist vorwiegend in der Elternschulung und bei Jugendlichen zu behandeln. Neben der Begründung einer medizinisch sinnvollen Zielsetzung soll auch vor den Risiken falscher Methoden zur Gewichtsreduktion und unrealistischer Ziele gewarnt werden.
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*Es muss betont werden, dass dieser Abschnitt der Leitlinien lediglich einen Vorschlag darstellt, wie ein Schulungsprogramm entwickelt werden kann. Ob und in welcher Form und insbesondere über welchen Zeitraum eine Schulung durchgeführt werden sollte, kann erst entschieden werden, wenn dazu prospektive, kontrollierte Studien über den Langzeiterfolg vorliegen. Da die AGA immer wieder nach Ratschlägen auf dem Gebiet der Adipositasschulung gefragt wird und sich innerhalb der AGA eine Konsensusgruppe erfahrener Therapeuten mit diesem Thema befasst, erschien die Aufnahme dieses Abschnittes in die Leitlinien sinnvoll.
Medizinische Inhalte sollten z. B. sein:
3.5.5.2 Module Ernährung
Basierend auf den Erfahrungen von 6 ambulanten und 8 stationären Schulungsgruppen wurde ein Konsens erarbeitet, der über bereits existente Konzepte hinausgeht. Die initiale Ernährungsanamnese zur Nahrungsauswahl und Essgewohnheiten löst bei den Kursteilnehmern einen Reflexionsprozess aus und hilft, individuelle Schulungsschwerpunkte zu definieren. Die Schulung soll lebensmittelorientiert (nicht nährstoff- oder energieorientiert) erfolgen. Um die optimierte Mischkost zu vermitteln, wird als didaktisches Modell ab 12 Jahren die Ernährungspyramide, ergänzt durch Getränke, und für die jüngeren Kinder ein Ampelsystem verwendet. Ein Selbstkontrollbogen erlaubt tägliches semiquantitatives Protokollieren der Ernährung (Portionszahl aus den verschiedenen Nahrungsmittelgruppen bzw. Ampelkategorien) und den Vergleich zwischen wöchentlichem Istwert und individuellem Etappenziel für die flexible Kontrolle. Im gleichen Protokoll sollen auch das Bewegungsverhalten und psychosoziale Beobachtungen dokumentiert werden.
Themen der Ernährungsschulung sind z. B.:
Die praktischen Übungen und supervidierten Mahlzeiten sollten z. B. folgende Ziele haben:
3.5.5.3 Module Sport & Bewegung
Bewegte Pausen und aktive didaktische Spiele sollten in alle Module der Adipositasschulung aufgenommen werden. Das Ziel der Schulungsmodule "Sport und Bewegung" ist eine Lebensstiländerung in Richtung Steigerung der körperlichen Aktivität (Sport- und Alltagsaktivitäten). Dies soll durch die Vermittlung von sportartspezifischen Fertigkeiten und Techniken mittels Bewegungsangeboten (in Übungs- und Spielform) mit hohem Aufforderungscharakter erreicht werden, wobei die Besonderheiten von Bewegung und Sport bei Kindern mit Adipositas Berücksichtigung finden. Darüber hinaus wird das Setting in der Gruppe genutzt, um psychosoziale Zielsetzungen in praktischen Bewegungs- und Sporteinheiten aufzugreifen und umzusetzen (vgl. Kap. 4.5 Psychosoziales).
Ziele der sportlichen Übungen sind z. B.:
In die Schulungseinheiten werden kurze ökonomisch durchführbare Instrumentarien zur Erfolgskontrolle integriert, wobei vordergründig kein Leistungsanspruch besteht.
In den theoretischen Schulungseinheiten (nach Möglichkeit auch in einer Elternschulung) und in kurzen Unterrichtsgesprächen findet eine Wissensvermittlung zu den Effekten und dem Nutzen einer aktiven Lebensgestaltung und entsprechend geeigneter Sportarten statt.
Themen der theoretischen Schulungseinheiten sind z. B.:
3.5.5.4 Psychosoziale Module
In diesen Schulungseinheiten sollen folgende Ziele erreicht werden:
Ad 1. Das primäre Ziel einer raschen Gewichtsabnahme soll gegenüber dem Ziel einer dauerhaften Veränderung des Ess- und Bewegungsverhaltens bzw. Lebensstils zurücktreten.
Ad 2. Die Förderung der Selbstwahrnehmung umfasst die Selbstbeobachtung bezüglich physiologischer Prozesse wie Hunger, Appetit und Sättigung, aber auch des eigenen Essverhaltens, sowie von Stimmungen und Gefühlen. Sie stellt eine wesentliche Voraussetzung für selbstgesteuerte Veränderungen des Erlebens und Verhaltens dar.
Funktionen des Essens als Ersatzbefriedigung werden ggf. entlarvt und Alternativen dazu erarbeitet. Zur Vorbereitung auf die Zeit nach der Schulung wird der adäquate Umgang mit Essen in Konflikt- und Krisensituationen sowie erneutem Gewichtsanstieg (Rückfällen) geübt.
Ad 3. Zur Stärkung des Selbstbewusstseins und der Eigenakzeptanz erfolgt die Bewusstmachung und Förderung eigener Ressourcen in Bezug auf äußeres Erscheinungsbild, Fähigkeiten (z.B. kreative, sportliche, intellektuelle), soziale Kompetenz, Persönlichkeit und Geschlecht.
Ad 4. Für eine ausgewogene Lebensgestaltung muss der Wechsel zwischen Aktivität und bewusster Entspannung durch Wecken von Interessen und Hobbys, Aufbau von Freundschaften, Entwicklung von Eigeninitiative und bewusste Anwendung von alltäglichen Entspannungstechniken im Sinne von Belohnungsphasen geübt werden.
Kinder und Jugendlichen erlernen adäquate Reaktionen auf Hänseleien und Kränkungen. Im Umgang mit Grenzen verstehen Kinder und Jugendliche ihre eigenen altersangemessenen Rechte und Bedürfnisse und können diese in sozialen Situationen vertreten.
Die Eltern bzw. Bezugspersonen sollen zur altersgemäßen Unterstützung und Begleitung einer dauerhaften Veränderung des Ess- und Bewegungsverhaltens motiviert und befähigt werden.
3.5.6. Qualitätssicherung
Es wird angestrebt, dass ambulante und stationäre Schulungsteams sowie die lokalen Behandlungsteams Kooperationspartner werden, die durch Vernetzung zur bedarfsangepassten kontinuierlichen Behandlung beitragen. Neben der Erfüllung von Mindestanforderungen an die Struktur- und Prozessqualität für ambulante bzw. stationäre Schulungen soll auch die Verpflichtung zur standardisierten Evaluation der Ergebnisqualität mittels kurz-, mittel- und langfristigen Nachuntersuchungen bestehen. Entsprechende Definitionen und Instrumente sind in Bearbeitung, die Ausbildung von zertifiziertem Fachpersonal ist angedacht.
Erarbeitet von der Konsensusgruppe Adipositasschulung
Koordination: Dr. Kurt Stübing und Dr. Andreas van Egmond-Fröhlich
3.6 Qualitätssicherung
3.6.1 Vorbemerkung
In Zukunft sind Maßnahmen zur Qualitätssicherung beim Aufbau von Strukturen in der Versorgung von Patienten und bei deren Therapie unabdingbare Voraussetzung, um einerseits Abläufe transparent zu machen und um anderseits die Finanzierung der Maßnahmen sicherzustellen. Die Überprüfung der diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen kann somit gewährleistet werden.
Zur Qualitätssicherung wird in der momentanen Fassung der Leitlinien ein Modell eines internen Qualitätsmanagements dargestellt, das ein strukturiertes Vorgehen zulässt, ein praktikabler Einstieg ist und für Kliniken, Ambulanzen und Praxen ausreichend Entwicklungs- und Gestaltungsspielraum zulässt. Zukünftig soll versucht werden, innerhalb der AGA Standards für die Struktur- und Prozessqualität zu erarbeiten und ein Software-Programm zur Dokumentation der Ergebnisqualität unter Berücksichtigung der vorgegebenen Therapieziele zu erarbeiten.
Ein internes Qualitätsmanagement legt zunächst die Strukturstandards fest, die für den ambulanten bzw. stationären Bereich gelten sollen. Die Prozess- und Ergebnisstandards bauen darauf auf, sichern die Abläufe und messen den Erfolg der therapeutischen Intervention entsprechend den Therapiezielen. Dabei ist festzustellen, dass Strukturen (Ausstattung) und Prozesse (Ablauforganisation) für Praxen, Ambulanzen und Kliniken festgelegt werden können.
Alle Angaben zur Qualitätssicherung müssen schriftlich dokumentiert und immer auf dem neuesten Stand zur Verfügung stehen.
3.6.2 Strukturqualität
Die Erhebung der Strukturqualität kann nach den Rasterplänen der Qualitätssicherung in der Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen der Arbeitsgemeinschaft der bayerischen Krankenkassenverbände und den Vorgaben des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger erfolgen (Rahmenkonzept, Empfehlungen des VDR, DRV-Schriften Band 8, Frankfurt 1998).
Auflistung der für die Diagnostik und Therapie
erforderlichen baulichen Voraussetzungen z.B. Räume für Diagnostik und
Therapie wie Labor, Diätlehrküche, Sporthalle (mit Ausstattung), Schwimmbad,
Räume für Einzel- und Gruppentherapie etc.
Auflistung der medizinisch-technischen Ausstattung z.B.:
klinisch-chemisches Labor, Langzeit-RR, Ergometrie, Sonographie, etc.
Auflistung der in der Institution vorgehaltenen
Therapiearten z.B.: Schulungsprogramm (Module), Bewegungstherapie,
Verhaltenstherapie, Elternschulung, etc.
Auflistung des Fachpersonals mit Qualifikationsbezeichnung z.B.: Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin, nachgeordnete Ärzte, Konsiliarärzte, Psychologen/Psychotherapeuten, Diätassistenten/Ökotrophologen, Sport-, Gymnastiklehrer/Physiotherapeuten, Pflegedienst, Sozialpädagogen, etc.
3.6.3 Prozessqualität
Die Prozessqualität ist von Praxen, Ambulanzen und Kliniken im Rahmen eines internen Qualitätsmanagementsystems zu regeln, eine Zertifizierung des Systems kann angestrebt werden. Die Prozessqualität beschreibt die Ablauforganisation der jeweiligen Institution.
Aufstellung der wesentlichen Kernprozesse der ambulanten und stationären Diagnostik/Therapie: der Ablauf der Diagnostik und der Therapie (siehe dort) soll schriftlich in Verfahrens- und Arbeitsanleitungen oder Flussdiagrammen dargestellt werden. Beschrieben oder dargestellt wird dabei z.B. wie die Anmeldung/Aufnahme des Patienten erfolgt, wie die Finanzierung geregelt ist, welche Diagnostik durchgeführt wird, wie die Ergebnisse der Diagnostik dokumentiert werden und wie daraus die Therapieplanung organisiert wird. Die Therapiemodule sollten schriftlich vorliegen, wie z.B. Module der Ernährungs- und Bewegungstherapie, das Schulungsprogramm, eine Gliederung der Themenschwerpunkte der Gruppen- und Einzeltherapie, Aufbau der Elternschulung, Umgang mit Therapieversagern.
2. Interdisziplinäre Teams:
3. Manual/Handbuch:
3.6.4 Ergebnisqualität
Praxen sowie ambulante und stationäre Einrichtungen müssen die Ergebnisse ihrer Diagnostik und Therapie in einem Datensatz dokumentieren, so dass die Ergebnisse in einer umfassenden Evaluation auswertbar und vergleichbar sind. Aus der Dokumentation der Diagnostik und an Hand der aufgestellten Zielkriterien lässt sich dann mit dem Datensatz das Ergebnis der Therapie evaluieren.
In dem Datensatz können z.B. enthalten sein: Größe, Gewicht (Perzentilen), somatische-laborchemische Diagnostik, psychologische Diagnostik, Veränderungen im Ernährungsverhalten, im Bewegungsverhalten, in den psychosozialen Bedingungen. Der Datensatz sollte einheitlich sein. Weitere Assessmentverfahren der Pädiatrie können eingesetzt werden. Insgesamt ist eine Langzeitkatamnese anzustreben.
Erarbeitet von: H. Mayer (Koordinator), D. l’Allemand, A. Chen-Stute, G. Koch, U. Korsten-Reck, D. Kunze, J. Oepen, A. von Hippel, M. Wabitsch.
4.
Extreme Adipositas4. 1 Vorbemerkung
Der Grund für eine besondere Berücksichtigung der extremen Adipositas ist, dass bei den betroffenen Patienten eine spezielle somatische und psychische Komorbidität häufiger auftritt, sie eine bedeutende körperliche Behinderung (Bewegungseinschränkung) aufweisen (ICIDH-Kriterien), sie schwer sozial zu integrieren sind und ein höheres Mortalitätsrisiko in jungen Jahren existiert. Dies hat zur Folge, dass eine besondere, evtl. auch aggressivere Therapie erforderlich ist. Bei einem Teil dieser Patienten ist eine auf molekularer Ebene aufklärbare Diagnose in den nächsten Jahren wahrscheinlich.
Aus den USA weiß man, dass bei Erwachsenen mit BMI 37 kg/m², also bereits bei mittelgradiger Adipositas, doppelt so hohe Krankheitskosten wie bei Normalgewichtigen mit einem BMI von 22 kg/m² anfallen. Es erscheint daher auch aus Kostengründen dringend erforderlich, die extreme Adipositas bei Kindern und Jugendlichen rechtzeitig und intensiv genug zu behandeln.
4.2 Definition
Bislang gibt es bei Kindern und Jugendlichen keine einheitliche Definition der extremen Adipositas. In Anlehnung an die Definition der extremen Adipositas bei Erwachsenen (>40 kg/m2) ergibt sich durch Extrapolation dieses Wertes die Definition der extremen Adipositas im Kindes- und Jugendalter. Demnach liegt bei Kindern und Jugendlichen mit einem BMI über dem 99,5. Alters- und geschlechtsspezifischen BMI-Perzentil eine extreme Adipositas vor.
4.3 Diagnostik
Die Empfehlungen zur Diagnostik im Abschnitt 2 sind zunächst immer zu berücksichtigen. Die im folgenden aufgelisteten Punkte sollten bei Kindern und Jugendlichen mit extremer Adipositas besonders berücksichtigt werden.
Anamnese:
im Säuglings- und Kindesalter,
- bisherige Behandlungsversuche und Gewichtsverlauf (weight cycling),
Durch die besondere Berücksichtigung dieser Angaben kann die weitere Diagnostik und Therapieindikation nach Abschnitt 2 und 3.1. optimiert werden.
Befunde, die eine weiterführende Diagnostik erfordern:
Acanthosis nigricans (Hyperinsulinämie, Diabetes mellitus); Zahnstatus: Zahnschmelzdefekte (Bulimia nervosa); Ritzen oder andere Hinweise auf selbstverletzendes Verhalten ("Borderline-Störung"); Virilisierung und Zyklusstörungen (PCO-Syndrom); nächtliche Apnoen, schnelle Ermüdbarkeit, Konzentrationsstörungen (Schlaf-Apnoe-Syndrom, nächtliche Hypoventilationen).
Weitere Diagnostik:
Durch erweiterte diagnostische Maßnahmen sollen die Komorbidität und weitere Risikofaktoren erkannt werden. Hierzu gehören u.a.:
- immer: Oraler Glukosetoleranztest, Lipoprotein (a) und Homozystein im Serum.
- immer: Abdomen-Sono (Gallensteine ?).
- bei erhöhten Blutdruckwerten: 24 Stunden –RR-Messung.
- bei Schnarchen, schnelle Ermüdbarkeit: Schlaf-Apnoe-Screening.
bei fehlenden klinischen Symptomen und v.a. vor Therapiebeginn sinnvoll.
Psychologische Diagnostik:
Aufgrund eines erhöhten Risikos für das Vorkommen von psychiatrischen und psychosozialen Störungen bei Kindern und Jugendlichen mit extremer Adipositas ist es sinnvoll, eine psychologisch-psychiatrische Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung folgender Punkte durchzuführen (Britz B., 2000):
- Essstörungen (ICD-10: F50)
- Intrapsychische und intrafamiliäre Konflikte
- schulische oder berufliche Überforderung, bzw. Unterforderung
- Affektive Störungen (ICD-10: F30-F39)
- Angststörungen, insbesondere soziale Phobie (ICD: F41-F41.9, F40.1)
- traumatisierende Erfahrungen, u.a. sexueller Missbrauch
- posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10: F43.1)
- Autoaggression
- Alkohol-, Nikotin-, Drogenmissbrauch bzw. -abhängigkeit (ICD 10:F1)
- Störung des Sozialverhaltens (ICD 10: F91)
- Delinquenz
- erniedrigtes Selbstwertgefühl
- risikoreiches Sexualverhalten
- Enuresis nocturna (ICD 10: F98)
4.4 Therapie
Eine erfolgreiche Behandlung der extremen Adipositas ist nur in interdisziplinärer und intensiverer Zusammenarbeit zwischen Arzt, Psychologen, Ernährungsfachkraft, Sporttherapeut, etc. möglich.
Unter Berücksichtigung der familiären, schulischen und beruflichen Situation können derzeit langzeit-ambulante, langzeit-stationäre und langzeit-stationär/ambulant-vernetzte Vorgehensweisen empfohlen werden. Dabei ist ein individuell leistungsangepasster Therapieablauf, möglichst mit begleitendem Schulunterricht oder berufsorientiertem Praktikum zu fordern (Siegfried W, 1999; Boeck M, 1993).
Es wird nach erfolgter psychologischer Diagnostik in vielen Fällen eine begleitende oder sogar vorangehende psychotherapeutische und psychosoziale Intervention notwendig sein, die folgende Ziele verfolgt:
Selbstwertverbesserung, Körperakzeptanz und Körperbild/eigene Wahrnehmung verbessern, soziale Kompetenz steigern, Eigenverantwortung erhöhen, Verbesserung psychischer Störungsbilder (z.B. Angststörungen, affektive Störungen, posttraumatische Belastungsstörung, Substanzmißbrauch bzw. –abhängigkeit), soziale und berufliche (Re-) Integration (Isolation und Stigmatisierung entgegenwirken).
4.5 Andere Therapieformen
Die steigende Prävalenz und das zunehmende Ausmaß der Adipositas bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland steht einem völlig unzureichenden Angebot an adäquaten Behandlungsmöglichkeiten unseres Gesundheitssystems gegenüber.
Aufgrund des erheblichen Gesundheitsrisikos und der bereits manifesten Komorbidität bei Kindern und Jugendlichen mit extremer Adipositas kann bei unzureichendem Erfolg einer nach den in diesen Leitlinien aufgezeigten Anforderungen durchgeführten Adipositasbehandlung eine begleitende pharmakologische Therapie (z.B. Sibutramin, Orlistat, Quellstoffe) oder chirurgische Therapie (z.B. gastric banding) im Rahmen von kontrollierten Studien erwogen werden.
4.6 Literatur
Dieser Teil der Leitlinien basiert u.a. auf folgender Literatur:
Barlow SE, Dietz WH. Obesity Evaluation and Treatment: Expert Committee Recommendations. Pediatrics 1998, 102, No. 3, p. e29
Britz B, Siegfried W, Ziegler A, Lamertz C, Herpertz-Dahlmann BM, Remschmidt H, Wittchen H-U, Hebebrand J. Rates of Psychiatric Disorders in a Clinical Study Group of Adolescents with Extreme Obesity and in Obese Adolescents Ascertained via a Population Based Study, Int J Obes Relat Metab Disord. 2000 Dec 4(12):1707-14.
Boeck M, Lublin K, Loy I, Kasparian D, Grebin B, Lombardi N. Initial experience with long-term inpatient treatment for morbidly obese children in a rehabilitation facility. Ann N Y Acad Sci 1993 Oct 29;699:257-9.
Epstein LH, Goldfield GS. Physical activity in the treatment of childhood overweight and obesity: current evidence and research issues Med Sci Sports Exerc 31 (11 Suppl.): 553-559, 1999
Husemann B. Extreme Adipositas, Chirurgische Verfahren, Indikation und Ergebnisse. Act. Ernähr. Med. 23 182-186, 1998
Mallory GB Jr, Fiser DH, Jackson R. Sleep-associated breathing disorders in morbidly obese children and adolescents, J Pediatr 1989 Dec;115(6):892-7
Power C, Lake JK, Cole TJ. Measurement and long-term health risks of child and adolescent fatness. Int J Obes 1997; 21: 507-526.
Siegfried W, Siegfried A. Langzeittherapie der hochgradigen Adipositas bei Jugendlichen. Kindheit und Entwicklung, 9 (2), 102-107.
Siegfried W, Siegfried A, Rabenbauer M, Hebebrand J. Snoring and sleep apnea in obese adolescents: effect of long-term weight loss-rehabilitation. Sleep and Breathing 1999; 3 (3): 83-87.
Strauss R. Childhood obesity. Curr Probl Pediatr 1999; 29: 5-29.
Erarbeitet von: W. Siegfried (Koordinator), C. Aigner, J. Bennek, S. Cechura, J. Hebebrand, T. Hirschmannn, W. Kiess, D. Kunze, H. Mayer, G. Müller, C. Vogl, M. Wabitsch, H. Weyhreter, K. Widhalm, K. Zwiauer.
5. Adipositas bei syndromalen Krankheiten
5.1 Vorbemerkung
In der klinischen Genetik sind mehr als 50 unterschiedliche Syndrome bekannt, die obligat oder fakultativ mit einer Adipositas assoziiert sein können. Dabei ist die Adipositas praktisch nie ein isoliertes Symptom dieser Syndrome. Sie wird ergänzt durch vielfältige weitere Merkmale, die wiederum bei ein und demselben Syndrom nicht in gleicher Zahl oder Ausprägung vorkommen müssen. Ein und dasselbe Syndrom kann also ein sehr variables Erscheinungsbild aufweisen. Die isolierte Adipositas bei Kindern und Jugendlichen macht ein Syndrom eher unwahrscheinlich! Kürzlich wurden seltene monogene Formen der frühmanifesten Adipositas beschrieben (Mutationen im Gen für Leptin oder Leptinrezeptor oder für Proopiomelanocortin (POMC)) (s. Informationen in Flussdiagramm 5).
5.2 Leitsymptome
Als häufig anzugebende weitere Befunde können eine geistige Behinderung, ein Hypogonadismus, ein Hypogenitalismus, eine Mikrocephalie oder auffällige Kopfform, Muskelhypotonie und ein Kleinwuchs angegeben werden. All diese Symptome werden bei der häufigsten Form der syndromalen Adipositas, dem Prader-Willi Syndrom, Häufigkeit ca. 1:15.000, gefunden. Allerdings stellt gerade der Kleinwuchs ein sehr uncharakteristisches Merkmal dar, und ist immer im Zusammenhang mit der Elterngröße zu bewerten. Sind einzelne dieser Symptome vorhanden, sollte gezielt nach weiteren auffälligen Befunden und Fehlbildungen hin untersucht werden. Hierzu sei auf das Flussdiagramm 5 verwiesen.
Leitsymptom Makrosomie als Neugeborenes / im Säuglingsalter:
Von dieser Gruppe der im Flussdiagramm aufgeführten Syndrome kann eine zweite, kleinere abgegrenzt werden, bei der eine Makrosomie (Gewicht und Körpergrosse erhöht) schon in der Säuglingszeit ein führendes Symptom darstellt:
Das Sotos-Syndrom, das Weaver-Syndrom, das Beckwith-Wiedemann-Syndroms, und das Simpson-Golabi-Behmel-Syndrom oder Golabi-Rosen-Syndrom (Informationen beim Koordinator).
5.3 Besonderheiten der Diagnostik (s. Flussdiagramm 5)
Ergänzende Diagnostik in Einzelfällen:
Erarbeitet von: R. Pankau (Koordinator), D. Kunze, M. Wabitsch.
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zuletzt aktualisiert am 05.03.2006 (SB)