Eßstörungen                                           Ó  kinderpraxis-juelich  (im August 2011)

    Unsere Jugendärztin und Psychotherapeutin Ewa Janas-Schroeteler kann Dir/Ihnen vielleicht helfen bei

Bulimie und Anorexie

 

Bulimie

 

  Bei der Ess-Brech-Sucht handelt es sich um eine Essstörung, die durch den Wechsel von Fressanfällen und Versuchen der Gewichtsreduktion gekennzeichnet ist. Charakteristisch ist der Kontrollverlust während der Hungerattacken, bei denen bis zu 20.000 kcal (!) verschlungen werden.

Die häufigsten Maßnahmen, die unternommen werden, um die exzessive Nahrungs- und Energiezufuhr auszugleichen, sind Erbrechen und der Missbrauch von Abführmitteln und Diuretika (purging-Typ) sowie andere unangemessene kompensatorische Verhaltensweisen wie Fasten oder exzessiver Sport (non-purging-Typ). Im Gegensatz zur Magersucht wird die Bedrohung durch die Krankheit wahrgenommen und der Zustand als unangenehm empfunden.

   

"Pursuit of Thinness"
Versuch, Probleme über die Kontrolle der Nahrungszufuhr & Gewicht zu lösen

   
         

Erhöhte psychische Labilität
Angst vor Gewichtszunahme
Verminderung des Selbstwertgefühls
Soziale Isolation

 

Bulimischer (Teufels-)
Kreis

 

Mangel- und Fehlernährung
mit körperlichen und geistigen Veränderungen (z.B. Depressionen)

         
   

Fressattacken
als physiologische Gegenregulation und emotionale Entladung

   

Von der Bulimie können sowohl Unter- als auch Übergewichtige betroffen sein. Da sich viele Betroffene ihrer Krankheit schämen, muss von einer relativ hohen Dunkelziffer ausgegangen werden. Schätzungen zufolge leiden etwa 3% der jungen Frauen an Bulimie.

 

Diagnose

  Die Bulimia nervosa weist zwar Gemeinsamkeiten mit der Anorexie auf (krankhafte Beschäftigung mit dem eigenen Körper), jedoch gibt es auch einige Unterschiede. Um diese zu verdeutlichen, sind die Kriterien für die Diagnose der Bulimia nervosa in der folgenden Abbildung zusammenfasst.

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Diagnostische Kriterien der Bulimia nervosa (DSM-III-R-Kriterien)

Fressanfälle
Wiederholte Fressattacken mit hastigem Herunterschlingen der Nahrung

Kontrollverlust
Die Betroffenen haben das Gefühl, nicht mit dem Essen aufhören zu können

Gewichtsreduktion
Um eine Gewichtszunahme zu vermeiden, erfolgen regelmäßig Maßnahmen wie Erbrechen, Diäten, übertriebener Sport, Missbrauch von Abführmitteln (Laxanzien) und Diuretika (harntreibende Medikamente)

Häufigkeit der Fressanfälle
Mindestens 2 Fressanfälle pro Woche über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten

Körperschema
Andauernde, übertriebene Beschäftigung mit Figur und Gewicht

Für die Diagnose ist eine ausführliche Anamnese erforderlich. Häufig findet sich ein gezügeltes, rein vom Kopf gesteuertes Essverhalten (restrained eating) in Kombination mit zahlreichen Diäten. Viele Patienten essen morgens und mittags nichts bzw. nur sehr wenig, woraus abends ein unerträglicher Heißhunger resultiert.

Dies hat zum einen physiologische Gründe. Durch den Abfall des Blutzuckerspiegels reagiert der Körper mit Hunger. Zum anderen können auch psychologische Faktoren eine Rolle spielen. Während die Patienten tagsüber auf der Arbeit abgelenkt und in Gesellschaft sind, können Einsamkeit, Frust oder andere emotionale Belastungen dazu führen, dass abends versucht wird, diese Probleme mit Fressattacken zu kompensieren.

 

Auswirkungen auf den Körper

Allgemein Die negativen Auswirkungen der Bulimie sind sowohl auf die Fastenperioden als auch auf das bei dieser Erkrankung typische Verhalten zurückzuführen. Die hormonellen Störungen ähneln in abgeschwächter Form denen der Magersucht.

 

Kaliummangel Der durch die Mangelernährung meist vorliegende Kaliummangel wird durch die Kaliumverluste verstärkt, die durch das Erbrechen entstehen. Dies erhöht weiter das Risiko von lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörung bzw. eines Herzstillstandes.

 

Mundhöhle Der Kontakt von Magensäure mit der Mundhöhle hat ebenfalls negative Auswirkungen. Durch die Säure wird der Zahnschmelz angegriffen und geschädigt, was zu einer Entmineralisierung führt. Dennoch ist die Karieshäufigkeit nur leicht erhöht, da die meisten Betroffenen anschließend ihre Zähne putzen, um den unangenehmen Geschmack zu beseitigen. Das Eindringen von Magensäure in die Speicheldrüsen kann dort Entzündungen und Schwellungen hervorrufen.

 

Therapie

Psychologische Unterstützung

Bei der Therapie der Bulimia nervosa steht zunächst die Normalisierung des Essverhaltens im Vordergrund. Für unterernährte Bulimiker gelten die unter dem Thema Anorexie aufgeführten Ernährungsempfehlungen.

Bei der Veränderung des Essverhaltens ist die verhaltenstherapeutische Unterstützung von besonderer Bedeutung. Im Rahmen eines Esstrainings werden die "normalen" Verhaltensweisen einstudiert, geübt und durch entsprechende Aufklärungsmaßnahmen unterstützt (nutritional counselling).

Nach der Normalisierung des Essverhaltens, was relativ wenig Zeit in Anspruch nimmt, gewinnt die Therapie der ursächlichen Probleme an Bedeutung. Dazu zählen in erster Linie die gestörte Körperwahrnehmung, der Bezug zu Gewicht und Figur sowie die Stressbewältigung. Erst wenn die psychischen Probleme überwunden sind, können Rückfälle vermieden bzw. reduziert werden.

Auch hier ist eine psychologische Unterstützung erforderlich. Das Austauschen von Informationen mit Betroffenen kann ebenfalls sehr nützlich sein. Hierfür sind auch Selbsthilfegruppen geeignet, die es in jeder größeren Stadt gibt. Ein Ansprechpartner ist auch die folgende Institution, bei der Sie möglicherweise auch die Adressen sämtlicher Selbsthilfegruppen erhalten.

 

 

Magersucht (=Anorexia nervosa)
Definition

  Die Magersucht ist eine Essstörung, bei der die Betroffenen ein nicht dem Alter und der Statur entsprechendes minimales Körpergewicht anstreben. Dabei ist die Wahrnehmung von Figur, Gewicht und Aussehen häufig gestört und es besteht die Angst vor einer Gewichtszunahme. Die Gefahren, die sich aus dieser Situation ergeben, werden verleugnet. Hinzu kommt häufig eine soziale Isolation in Verbindung mit Depressionen.

 

Diagnose

DSM-III-R-
Kriterien
Für die Diagnose "Anorexia nervosa" reicht Untergewicht alleine nicht aus. Zunächst müssen alle organischen Ursachen ausgeschlossen werden (z.B. Schilddrüsenüberfunktion, Diabetes mellitus Typ 1, Malabsorptionssyndrom). Für die Diagnose einer Magersucht müssen weitere Kriterien erfüllt sein (siehe Abbildung).
 

Diagnostische Kriterien der Anorexia nervosa (DSM-III-R-Kriterien)

Untergewicht
Gewicht wird absichtlich unterhalb des normalen Bereichs gehalten

Furcht vor Gewichtszunahme
(trotz bestehendem Untergewicht)

Verzerrte Körperwahrnehmung
Patienten fühlen sich oder einen bestimmten Teil ihres Körpers zu dick
(trotz bestehendem Untergewicht)

Bei Frauen: Amenorrhö
Ausbleiben von mindestens drei aufeinanderfolgenden Menstruationszyklen

 

Auswirkungen auf den Körper

Kaliummangel Krankhaftes Untergewicht hat vielfältige und gravierende Auswirkungen auf den menschlichen Körper bis hin zu lebensbedrohlichen Komplikationen. Dazu zählt vor allem der durch die Mangelernährung ausgelöste Kaliummangel, der lebensgefährliche Herzrhythmusstörungen zur Folge haben kann. 

 

Blutarmut/
Ödeme
Aufgrund einer Schädigung des Knochenmarks kann eine Anämie (Blutarmut) hervorgerufen werden. Durch die niedrige Eiweißzufuhr mit der Nahrung kommt es zu einem Absinken des Albumins (Transportprotein). Bei einer verringerten Albuminkonzentration kann die im Blut enthaltene Flüssigkeit nicht mehr ausreichend gebunden werden und lagert sich im Gewebe ab (Ödembildung).

 

Verringerte Östrogen-
produktion
Eine nachlassende Östrogenproduktion kann das Ausbleiben der Menstruation (Amenorrhö) zur Folge haben. Östrogene (weibliche Geschlechtshormone) unterstützen weiterhin die Einlagerung von Calcium in die Knochenmatrix. Da dieser Vorgang im Kindes- und Jugendalter besonders wichtig und bis etwa zum 30. Lebensjahr abgeschlossen ist, hat eine Amenorrhö vor allem in diesem Lebensabschnitt eine geringere Knochendichte zur Folge, wodurch sich die Gefahr einer Osteoporose erhöht.

 

Erhöhte Cortisolspiegel Um den Blutzucker trotz der mangelnden Zufuhr von Kohlenhydraten konstant zu halten, muss Glucose aus anderen Substanzen (z.B. Ketonkörper, bestimmte Aminosäuren) gebildet werden. Dies macht eine erhöhte Sekretion von Cortisol sowie anderen Hormonen notwendig. Dauerhaft erhöhte Cortisolspiegel können zu Haarausfall, Hautveränderungen und psychischen Erkrankungen führen und begünstigen ebenfalls die Entstehung der Osteoporose.

 

Unfruchtbarkeit Durch die eingeschränkte Östrogenbildung kommt es zu einer Störung der weiblichen Keimdrüsen. Die daraus resultierende Unfruchtbarkeit (Infertilität) bleibt auch bei erfolgreicher Behandlung meist noch längere Zeit bestehen (bis zu Jahren), bis die Fruchtbarkeit wieder einsetzt.

 

Unterzuckerungen Nach längerer unzureichender Kohlenhydratzufuhr sind die körpereigenen Reserven aufgebraucht. Da die endogene Bildung von Glucose (Gluconeogenese) nur sehr langsam abläuft, kann es in Kombination mit starker körperlicher Belastung zu Unterzuckerungen (Hypoglykämien) kommen, die - je nach Schweregrad - zur Bewusstlosigkeit oder zu Hirnschäden bis hin zum Tod führen können, was auf die Minderversorgung des Gehirns mit Energie (Glucose) zurückzuführen ist.

 

Veränderte Blutparameter Die Anorexia nervosa ruft noch eine Reihe weitere biochemischer Abnormitäten hervor. Die Veränderungen der wichtigsten Blutparameter sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst.

 

Laborwert

Auswirkungen der Anorexie

Blutzucker

erniedrigt

Gesamtprotein

erniedrigt

Calcium

erniedrigt

Phosphor

erniedrigt

Triglyceride

erniedrigt

Hämoglobin

erniedrigt

Hämatokrit

erniedrigt

Leukozyten

erniedrigt

Schilddrüsenhormon (T3)

erniedrigt

Thrombozyten

erniedrigt

Leberenzyme (GOT, GPT)

erhöht

 

Therapie

Psychologische Unterstützung Die Grundlage für eine erfolgreiche Therapie der Magersucht stellt zunächst die Einsicht des Patienten dar. Ohne diese sind die Prognose äußert ungünstig und Therapieerfolge eher unwahrscheinlich.

Ist eine Bereitschaft zur Therapie vorhanden, ist das oberste Ziel die Normalisierung des Körpergewichts, wobei eine verhaltenstherapeutische Unterstützung notwendig ist. Ein weiterer Bestandteil der psychologischen Betreuung stellt die Therapie der verzerrten Körperwahrnehmung dar. Die Stärkung des Selbstwertgefühls ist ebenfalls von Bedeutung. Der Kontakt mit anderen Betroffenen und ehemaligen Anorektikern im Rahmen von Gruppentherapien wirkt sich häufig besonders positiv aus.

Die Zusammenarbeit mit einem Psychologen ist bei der Therapie unerlässlich. Optimal ist eine stationäre Behandlung in einer entsprechenden Einrichtung.

Kontaktadressen von Selbsthilfegruppen finden Sie hier!

 

Ernährungs-
therapie
Neben der psychologischen Betreuung spielt die richtige Ernährung zur Normalisierung des Körpergewichts eine wichtige Rolle. 

In schweren Fällen kann zunächst eine künstliche Ernährung erforderlich sein. Wichtig ist anschließend eine langsame Steigerung der Nahrungsaufnahme, um Unverträglichkeiten zu vermeiden. Dabei sollten am Anfang nur Nahrungsmittel in leicht verwertbarer Form verabreicht werden. Aufgrund der Schleimhautschädigungen und des Lactasemangels (milchzuckerspaltendes Enzym) werden Milch und Milchprodukte anfangs häufig nicht vertragen.

Im Anschluss daran erfolgt eine schrittweise Annäherung an eine energiereiche Basiskost. Der Energiebedarf wird dabei so veranschlagt, dass für jeweils 10 kg Untergewicht ein Zuschlag von 20% des normalen Tagesbedarfs empfohlen wird (ca. 2500-3000 kcal / Tag).

Die Nahrung sollte auf mehrere Mahlzeiten (ca. 6) am Tag verteilt werden und ist reich an Kohlenhydraten und Fetten. Letztere sollten vor allem in versteckter Form aufgenommen werden und reich an ungesättigten Fettsäuren sein.

Der Proteinbedarf entspricht dem einer "normalen" Ernährung, liegt also bei ca. 15% der Gesamtenergieaufnahme. Die Kost sollte vitamin- und mineralstoffreich, ausgewogen und abwechslungsreich sein. Zu meiden sind jedoch Lebensmittel, die energiearm, voluminös oder blähend sind (siehe Abb.).
 

 

Weniger geeignete Lebensmittel beim Kostaufbau

Hülsenfrüchte, Blattkohlsorten, Pilze
Fleisch-, Fisch- und Wurstwaren mit hohem Anteil an sichtbarem Fett
Mayonnaise, fettreiche Backwaren
Fettarme, proteinreiche Lebensmittel (z.B. Magermilchprodukte)
stark kohlensäurehaltige Getränke

Mit steigender Energiezufuhr kann auch mit leichter körperlicher Aktivität begonnen werden. Dies fördert sowohl das Herz-Kreislauf-System als auch das Muskelwachstum.

Grundsätzlich sollten die Speisen schmackhaft und appetitlich zubereitet werden. Individuelle Bedürfnisse sollten dabei berücksichtigt werden. Auch geringe Mengen Alkohol zur Steigerung des Appetits sind erlaubt.

Bei bestehendem Untergewicht ohne vorliegende Essstörung kann direkt (d.h. ohne Aufbaukost) mit einer energiereichen Kost begonnen werden. Eine Gewichtszunahme erreicht man generell durch eine positive Energiebilanz, d.h. wenn man dem Körper mehr Energie zuführt als er verbraucht. Allerdings gibt es auch Fälle, bei denen eine energiereiche Ernährung zu keiner Gewichtszunahme führt (z.B. Schilddrüsenüberfunktion). Um das auszuschließen, sollten Sie sich an ihren Arzt wenden.

Prinzipiell sollte sich auch diese Ernährung an den Empfehlungen für eine ausgewogene Ernährung orientieren. Allerdings kann hier auf fettreichere Produkte zurückgegriffen werden.

 

Sonstige medizinische Maßnahmen Aufgrund der gravierenden Folgen der unzureichenden Östrogenproduktion wird der gezielte Einsatz von Östrogenen, Gestagenen und Calcium im Rahmen der Osteoporoseprophylaxe diskutiert.

Eine weitere medikamentöse Therapie ist nicht erforderlich. Trotz der niedrigen Konzentration des Schilddrüsenhormons T3 (Trijodthyronin), ist eine Therapie mit Schilddrüsenhormonen nicht angezeigt. Eine Ausnahme stellt die Behandlung mit Antidepressiva dar, sofern eine begleitende depressive Erkrankung vorliegt

 


weitere Beratungskontakte:

Suchtberatung Aachen 0241-41356128

empfehlenswerter Link:

www.magersucht.de

Für weitere Fragen steht Ihnen unser PraxisTeam gerne zur Verfügung ...

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zuletzt aktualisiert am 30.08.2011 (EJS)